Gamifizierung – Wie Spiele unseren Lebensalltag durchdringen (2021)

Impulsreferat von Prof. Dr. Franz Josef Röll beim Forum Kommunikationskultur "Lasst uns spielen! Medienpädagogik und Spielkulturen" der GMK

“Die Faszination digitaler Spiele steht in Verbindung mit dem Bedürfnis nach Kompetenz, Selbstbestimmung und Autonomie. Computerspiele vermitteln das Gefühl der Kontrolle in einer miniaturisierten, auf wenige Grundelemente reduzierten Welt. Schnelle und eindeutige Rückmeldung über Erfolg und Misserfolg begünstigen die intrinsische Motivation. Weitere Motive liegen in der Suche nach Anerkennung, Geborgenheit, Geschmackskoalitionen, gegenseitigem Verständnis, Bereitschaft für Kooperation und Entlastung vor kognitiv-rationalen Anforderungen des Alltagslebens. Bedeutsam ist auch das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit (Community) und Gemeinschaftsgefühl (Teil von etwas Großem sein).

Da spielerische Komponenten Einfluss auf die Aufmerksamkeit und die Motivation haben, werden aktuell nicht-spielerische Aktivitäten um Elemente des Spiels erweitert. Diese Übertragung von Elementen digitaler Spiele auf spielfremde Kontexte wird als Gamifizierung bezeichnet. Dieser Trend lässt sich u.a. in der Wirtschaft, in der Bildung und im Gesundheitswesen beobachten. So wird z.B. das an der University of Washington in Seattle entwickelte Spiel Snow World erfolgreich zur Schmerztherapie bei schweren Verbrennungen eingesetzt. Als game based learning wird die Verbindung von Unterhaltungspotential und Lerninhalten bezeichnet. Es werden aber auch Spielelemente als Gratifikatoren verwendet, um die Lernumgebung optimiert kontrollieren zu können.“ (Ankündigungstext)

(Quelle)

“Play und Game sind nicht dasselbe. In seinem Beitrag differenziert Prof. Dr. Franz Josef Röll (Hochschule Darmstadt) die beiden Begriffe. Play wird demnach mit freieren, experimentelleren, ungeregelten und spontaneren Aktivitäten assoziiert. Dem stehen beim Game strategische, einem engen Regelwerk folgende, sich stets in der Leistung potenziell steigernde, disziplinierende Handlungen und Schachzüge gegenüber.
Motivation und die Möglichkeit, Entscheidungen treffen zu können, sind wichtige Aspekte beim Spielen. Röll sieht beim Gaming (vs. Playing) auch ein Autonomieproblem, dort wo nur innerhalb eng vorgegebener Regeln und ausgewiesener Grenzen agiert werden kann und gewünschtes Verhalten statt kreativen Agierens im Vordergrund steht. Röll verweist auf positive Effekte von Neuroscience Games im medizinischen Bereich, die sich in der Verhaltenstherapie und sogar als begleitende Maßnahme in der Krebstherapie erfolgreich zeigen.
Einem berufsbezogenen Einsatz von Gamification und KI-Recruiting steht Röll skeptisch gegenüber. Hierbei gehe es u.a. um normative Disziplinierung, Belohnungs- und Bestrafungssysteme durch Punktvergabe etc., die mit fragwürdigem und problematischem Social Scoring zusammenhängen können. Zur zunehmenden Komplexität der Spiele meint er: “Wir scheitern in jedem Jahr auf höherem Niveau.“
Als positive bildungsbezogene Beispiele stellt er Urban Gaming im Kontext von politischer oder historischer Bildung dagegen (als Beispiel genannt wird ein Spiel, bei dem man sich als Pilger*in auf einen historischen Pilgerpfad durch Amsterdam begibt). Grundsätzlich gehe es darum, solche Spiele zu unterstützen, die Creative Gaming und Bricolage ermöglichen, sei es durch Adaption, Variation und Veränderbarkeit der Spielregeln.“ (GMK-Text zum Video)

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