Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen

Vorbemerkung

Das Internet hat die praktischen und wirtschaftlichen Bedingungen für die Verbreitung von wissenschaftlichem Wissen und von kulturellem Erbe grundlegend verändert. Zum ersten Mal ist durch das Internet die Möglichkeit einer umfassenden und interaktiven Repräsentation des menschlichen Wissens unter Einschluss des kulturellen Erbes und mit der Garantie des weltweiten Zugangs gegeben.
Wir, die Unterzeichner, fühlen uns aufgerufen, die Herausforderungen des Internets als künftigem Medium zur Wissensverbreitung aufzugreifen. Es ist klar, das diese Entwicklungen das Wesen des wissenschaftlichen Publizierens und des existierenden Systems der Qualitätssicherung grundlegend verändern können.
In Übereinstimmung mit der Budapester Initiative (Budapest Open Access Initiative), der ECHO-Charta und der Bethesda-Erklärung (Bethesda Statement on Open Access Publishing) haben wir diese Berliner Erklärung entworfen, um das Internet als Instrument für eine globale Basis wissenschaftlicher Kenntnisse und geistiger Reflexion zu fördern und um die Maßnahmen zu benennen, die von Politikern, Forschungsorganisationen, Förderinstitutionen, Bibliotheken, Archiven und Museen bedacht werden sollten.

Ziele

Unsere Aufgabe, Wissen zu verbreiten, ist nur halb erfüllt, wenn die Information für die Gesellschaft nicht breit gestreut und leicht zugänglich ist. Neue Möglichkeiten der Wissensverbreitung nicht ausschließlich in der klassischen Form, sondern zunehmend auch nach dem Prinzip des "offenen Zugangs" über das Internet, müssen gefördert werden. Das Prinzip des "Open Access" schafft daher freien Zugang zu einer umfassenden Quelle menschlichen Wissens und des kulturellen Erbes, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft bestätigt wurde.
Zur Verwirklichung der Vision einer umfassenden und zugänglichen Wissensrepräsentation muss das künftige Web nachhaltig, interaktiv und transparent sein. Inhalte und Software müssen dazu frei verfügbar und kompatibel sein.

Definition eines Beitrags nach dem "Prinzip des offenen Zugangs"

Idealerweise ist die Voraussetzung für die Etablierung des "Prinzip des offenen Zugangs" als erstrebenswertes Verfahren die aktive Beteiligung jedes einzelnen Produzenten von wissenschaftlicher Erkenntnis und jedes Verwalters von kulturellem Erbe. Beiträge nach dem "Prinzip des offenen Zugangs" können sowohl wissenschaftliche Forschungsergebnisse als auch Rohmaterialien und Metadaten, Quellenmaterialien, digitale Repräsentationen von bildlichem und grafischem Material sowie wissenschaftliche Materialien in multimedialer Form sein.
Beiträge nach dem "Prinzip des offenen Zugangs" müssen zwei Bedingungen erfüllen:

1. Die Urheber und die Rechteinhaber solcher Veröffentlichungen gewähren allen Nutzern unwiderruflich das freie, weltweite Zugangsrecht zu diesen Veröffentlichungen und erlauben ihnen, diese Veröffentlichungen - in jedem beliebigen digitalen Medium und für jeden verantwortbaren Zweck - zu kopieren, zu nutzen, zu verbreiten, zu übertragen und öffentlich wiederzugeben sowie Bearbeitungen davon zu erstellen und zu verbreiten, sofern die Urheberschaft korrekt angegeben wird. (Die Wissenschaftsgemeinschaft wird, wie schon bisher, auch in Zukunft Regeln hinsichtlich korrekter Urheberangaben und einer verantwortbaren Nutzung von Veröffentlichungen definieren) Weiterhin kann von diesen Beiträgen eine geringe Anzahl von Ausdrucken zum privaten Gebrauch angefertigt werden.

2. Eine vollständige Fassung der Veröffentlichung samt aller zugehörigen Begleitmaterialien wird zusammen mit einer Kopie der oben erwähnten Erlaubnis in einem geeigneten elektronischen Format auf mindestens einem online zugänglichen Archivserver mit geeigneten technischen Standards (wie die von Open Archive) hinterlegt und damit veröffentlicht. Der Archivserver muss betrieben werden von einer wissenschaftlichen Institution oder Gesellschaft, einer öffentlichen Institution oder einer anderen etablierten Organisation, die das "Prinzip des offenen Zugangs", uneingeschränkte Verbreitung, Interoperabilität und Langzeitarchivierung zu verwirklichen sucht.

Unterstützung des Übergangs zum "Prinzip des offenen Zugangs"

Unsere Organisationen unterstützen die weitere Förderung des neuen "Prinzips des offenen Zugangs" zum besten Nutzen von Wissenschaft und Gesellschaft. Wir beabsichtigen deshalb

  • unsere Forscher und Stipendiaten dazu anzuhalten, ihre Arbeiten nach dem "Prinzip des offenen Zugangs" zu veröffentlichen;
  • die Kulturinstitutionen zu ermutigen, ihre Ressourcen ebenfalls nach dem "Prinzip des offenen Zugangs" im Internet verfügbar zu machen;
  • Mittel und Wege zu finden, um für die "Open Access"-Beiträge und Online- Zeitschriften die wissenschaftliche Qualitätssicherung zu gewährleisten und die Regeln der "Guten Wissenschaftlichen Praxis" einzuhalten;
  • dafür einzutreten, dass "Open Access"-Veröffentlichungen bei der Begutachtung von Forschungsleistungen und wissenschaftlicher Karriere anerkannt werden;
  • dafür einzutreten, dass der den Beiträgen zur Entwicklung einer Infrastruktur für den offenen Zugang innewohnende Wert - etwa in Form der Entwicklung von Software- Instrumenten, Inhaltsaufbereitung, Metadatenerstellung, oder der Veröffentlichung einzelner Artikel - anerkannt wird.

Wir sind uns bewusst, dass sich beim Übergang zum "Prinzip des offenen Zugangs" die rechtlichen und finanziellen Aspekte der Verbreitung des Wissens verändern werden. Unsere Organisationen streben nach Lösungen, die die Weiterentwicklung der gegenwärtigen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen unterstützen, um so den bestmöglichen Zugang und Gebrauch zu erleichtern.

Diese Erklärung wurde am 22. Oktober 2003 von den Verantwortlichen der deutschen Forschungsorganisationen und weiterer nationaler und internationaler Institutionen unterzeichnet.