Stellungnahme der GMK zum “DigitalPakt Schule“: Ein großer Schritt für die technische Infrastruktur, ein zu kleiner für die schulische Medienbildung (2019)

Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK) begrüßt den “DigitalPakt Schule“, der nach langen politischen Kontroversen zwischen dem Bund und den Ländern mit dem abschließenden Votum und der Unterschrift unter die Verwaltungsvorschrift Anfang April nunmehr auf den Weg gebracht wurde. Nach Ansicht des Verbandes ist es für die Etablierung einer umfassenden Medienbildung in den Schulen ein wichtiger Schritt, aber leider auch nicht mehr. Weitere müssen folgen. Was im “DigitalPakt Schule“ fehlt und was erforderlich ist, um eine zeitgemäße Medienbildung umzusetzen, führt die GMK als bundesweiter Verband in dieser Stellungnahme aus.

Um Medienbildung als Lernen mit und vor allem über Medien in den verschiedenen Bildungseinrichtungen zu einem zentralen Gegenstand zu machen, bedarf es einer Vielzahl weiterer Maßnahmen, besonders in den Bereichen der Aus- und Fortbildung der Lehrenden, der Entwicklung schulischer Medienbildungskonzepte oder auch der verbindlichen und prüfungsrelevanten Verankerung in den verschiedenen Lehrplänen.

An dieser Stelle erinnert die GMK an ihre Stellungnahme “Medienbildung in der Schule ist mehr als digitale Bildung“ vom September 2018, in der die geplanten Schritte der “KMK-Strategie zur Bildung in der digitalen Welt“ (2016) kritisch kommentiert werden. Des Weiteren ist die unveränderte Richtigkeit des Papiers der Initiative “Keine Bildung ohne Medien!“ (KBoM!) hervorzuheben, die sich bereits 2016 mit den ersten Überlegungen zum Digitalpakt auseinandergesetzt hat.

Betrachtet man die vorliegende “Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019 bis 2024“ genauer, so zeigt sich eine beträchtliche Diskrepanz zwischen den in der Präambel formulierten Zielsetzungen und den anschließenden Ausführungsbestimmungen. Grundsätze, die auf Teilhabe, Mündigkeit und Chancengleichheit zielen, oder solche, die den Jugendlichen Kompetenzen ermöglichen wollen, “die für einen fachkundigen, verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit den Medien in der digitalen Welt erforderlich sind“, werden von der GMK geteilt. Uneingeschränkt begrüßt wird das Postulat, dass das Lehren und Lernen in der digitalen Welt dem Primat des Pädagogischen folgen muss.

Die GMK sieht in den mit dem “DigitalPakt Schule“ verbundenen Investitionsmaßnahmen die generelle Gefahr, dass ohne die Einbindung der pädagogischen Ebene Lösungen geschaffen werden, deren Nutzen für die schulischen Lehr-/Lernprozesse problematisch erscheinen.

In §16 der Vereinbarung bekräftigen die Länder ihre Bereitschaft, die in der KMK-Strategie aus dem Jahre 2016 getroffenen Absprachen zur Implementierung der Medienbildung in den Unterricht sowie die hierfür notwendige Lehrerbildung voranzutreiben Dies ist zu begrüßen, genauso wie die Einrichtung länderübergreifender Lerninfrastrukturen. Jedoch ist, was deren Umsetzung in der Praxis angeht, ein großes Fragezeichen angebracht. Denn in §18 und §19 werden die Berichtspflichten und die Evaluationsziele weitgehend auf die Aspekte "Veränderungen in der digitalen Infrastruktur und der Nutzung der digitalen Medien in der Schule“ fokussiert, andere für den Bereich des Lernens und seines Erfolgs relevantere Aspekte werden explizit ausgeblendet.

Problematisch erscheint der GMK auch die verzerrte öffentliche Berichterstattung, die in den meisten Fällen auf die nunmehr durch den DigitalPakt sichergestellte Möglichkeit der Schulen, mehr digitale Endgeräte (Laptops und Tablets) anzuschaffen, abhebt. In der Vereinbarung spielt dieser Aspekt nur eine nachgeordnete Rolle, wird hierfür doch eine Obergrenze von 5.000 € je Jahr und allgemeinbildender Schule festgeschrieben. Die somit über die Laufzeit von fünf Jahren mögliche Gesamtförderung ist an weitere Bedingungen geknüpft.

Zusammenfassende Forderungen der GMK:

  • In einer von Digitalisierung und Mediatisierung geprägten Welt ist eine gute Technikausstattung von Bildungseinrichtungen im Allgemeinen und Schulen im Besonderen ein bedeutsamer Schritt. Wichtiger ist nach Ansicht der GMK ein Überdenken der bisherigen Konzepte von Bildung, Lehren und Lernen. Dies beinhaltet neben der Frage der Zeitgemäßheit der Fächertrennung auch die Infragestellung der Institution Schule in ihrer gegenwärtigen organisatorischen Verfasstheit. Ein solcher Ansatz müsste sich von der Modifikation bisheriger Raum- und Zeitstrukturen bis hin zu einer veränderten Rolle der Lehrenden erstrecken.
  • Da langfristige Perspektiven natürlich immer erster Schritte bedürfen, ist es aus der Sicht der GMK notwendig, die Mittel des “DigitalPaktes Schule“ entsprechend dem in der Vereinbarung formulierten Postulat, dass alle Überlegungen dem Primat des Pädagogischen unterzuordnen sind, zu verteilen. Die Basis der hierzu erforderlichen Schulentwicklungsaufgabe bildet die Erarbeitung von sich prozesshaft permanent weiterentwickelten Medienbildungskonzepten sowohl auf der Ebene des Landes als auch auf der Ebene der einzelnen Schule. Unverzichtbar ist hierbei die Einbeziehung von Lehrenden aus allen Fächern. Die Länder müssen Sorge tragen, dass sich auch die Schulträger und weitere kommunale technische Behörden einem solchen Prozess unterordnen.
  • Medienbildung wird im Unterricht nur dann Erfolg haben, wenn dieses Thema als eine selbstverständliche Querschnittsaufgabe verstanden wird, die sich an zentraler Stelle in den Fachcurricula der Fächer, aber auch in fächerübergreifenden Lernarrangements niederschlägt. Langfristig muss vor dem Hintergrund der technisch-gesellschaftlichen Entwicklung die Frage, was Allgemeinbildung im 21. Jahrhundert (vgl. 21st century skills) eigentlich umfassen sollte, diskutiert werden.
  • Bedeutsam für alle formellen Lernprozesse ist stets der Aspekt der Verbindlichkeit von Inhalten und deren finale Prüfungsrelevanz. Da viele Prüfungsanforderungen in technisch-instrumenteller Hinsicht von Seiten der Wirtschaft formuliert werden, ist es für alle anderen Fragen, die sich aus der Weiterentwicklung der Mediengesellschaft ergeben, existenziell, dass zivilgesellschaftliche Kräfte, Initiativen, Verbände und auch Parteien diese Themenfelder immer wieder in das Zentrum der Diskussion rücken.
  • Die GMK sieht in einer obligatorischen Förderung medienpädagogischer Kompetenzen die zentrale Stellschraube zur Etablierung einer umfassenden Medienbildung im Sinne eines Lernens mit und über Medien. Dass ohne die entsprechenden Kompetenzen der Lehrerinnen und Lehrer auch die größten finanziellen Anstrengungen ins Leere laufen, wird einleitend im Digitalpakt festgestellt. Unverzichtbar sind daher Initiativen zur Verbesserung der Aus- und Fortbildungssituation. Diese sind im DigitalPakt nicht erkennbar. Dort, wo in den Ländern Ansätze vorhanden sind, bleiben sie in den meisten Fällen punktuell, optional und primär auf das Lernen mit Medien ausgerichtet.
  • Speziell im Bereich der Fortbildung, der auch im Digitalpakt weiterhin als die genuine Aufgabe der Länder gesehen wird, sieht die GMK einen großen Handlungsbedarf. Neben Angeboten, die den Lehrenden Einblicke zur Vermittlung in die zentralen Mechanismen der Mediengesellschaft ermöglichen, bedarf es schulorganisatorischer Regelungen, welche die notwendigen Zeitfenster für eine systematische Qualifizierung eröffnen.

Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (GMK) wurde 1984 als bundesweiter Zusammenschluss von Fachleuten aus den Bereichen Bildung, Kultur und Medien gegründet. Die GMK ist ein gemeinnütziger Verein. Als größter medienpädagogischer Dach- und Fachverband für Institutionen und Einzelpersonen ist die GMK Plattform für Diskussionen, Kooperationen und neue Initiativen. Die Geschäftsstelle koordiniert die bundesweiten GMK-Aktivitäten sowie die Außenvertretung der GMK. Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) setzt sich als bundesweiter Fachverband der Bildung, Kultur und Medien für die Förderung von Medienpädagogik und Medienkompetenz ein. Auch in der Schweiz und in Österreich ist die GMK aktiv. Sie bringt medienpädagogisch Interessierte und Engagierte aus Wissenschaft und Praxis zusammen und sorgt für Information, Austausch und Transfer.

Kontakt:
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