Die Zukunft der digitalen Gesellschaft - Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage (2014)

Das Institut für Demoskopie Allensbach führte im Januar 2014 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung "insgesamt 1.515 Face-to-Face-Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab 16 Jahre" durch. "Im Mittelpunkt der Befragung standen die Erwartungen, die Hoffnungen und Befürchtungen, die die Bevölkerung mit der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft verbindet."

Die Studie liefert hierzu wichtige Daten und einige eindrucksvolle Aussagen, die allerdings zum Teil kritisch zu hinterfragen sind.

Drei Beispiele:

1. Als Hauptergebnis wird in der Studie in Grossbuchstaben herausgestellt: "DIE MEHRHEIT DER BEVÖLKERUNG BLICKT AMBIVALENT BIS SKEPTISCH AUF DIE ZUKUNFT DER DIGITALEN GESELLSCHAFT." (S.2)

2. Differenzierend wird nach Altersgruppen unterschieden und behauptet: "Allerdings werden die vermuteten Veränderungen infolge der Digitalisierung nicht von allen Alters- und Bevölkerungsgruppen gleichermaßen skeptisch bewertet. Insbesondere die jüngere Generation beurteilt die Veränderungen überdurchschnittlich positiv." (S.2)

3. Die große Überschrift von Schaubild 2 heißt: "Nur eine kleine Minderheit erwartet für sich persönlich Nachteile" (S.4)

Wie kommen diese Aussagen zustande? Auf welchen Fakten beruhen sie? Kann man die erhobenen Daten auch anders interpretieren?

Zur Beantwortung dieser Fragen lohnt sich ein Blick in die Tabellen mit den Originaldaten, die sich im Anhang der Studie befinden:

Zu 1.
Die Basis für diese Aussage bieten die Antworten auf die Frage: "Durch das Internet und digitale Technologien verändert sich ja vieles, z.B. wie die Menschen einkaufen, wie sie mit persönlichen Daten umgehen oder auch, wie sie sich austauschen und informieren. Einmal ganz allgemein gefragt: sehen sie diesen Veränderungen alles in allem eher mit Hoffnungen oder eher mit Befürchtungen entgegen?" (Anhang, Tabelle 1)

Die Antwortmöglichkeiten und die erreichten prozentualen Anteile in der gesamten Stichprobe sind:
. mit Hoffnungen 20.0%
mit Befürchtungen 38.8%
weder noch 31.2%
unentschieden, keine Angabe 10.0%

Die Begriffe "ambivalent" und "skeptisch" tauchen in der Frage nicht auf. Sie sind offenbar Neuformulierungen der Antwortkategorien "weder noch" und "mit Befürchtungen". Das Hauptergebnis wird dadurch erreicht, dass die Prozentzahlen in der Kategorie "weder noch" zu denen der Kategorie "mit Befürchtungen" hinzugezählt werden. Mit demselben problematischen Verfahren würde man aber auch 51,2% für das Gegenteil erreichen und könnte behaupten:

Die Mehrheit der Bevölkerung blickt ambivalent bis hoffnungsfroh auf die Zukunft der Digitalen Gesellschaft.

Zu 2. Die Basis für diese Aussage bieten die Antworten der 292 Befragten der Altersgruppe 16-29 Jahre auf die oben zitierte Frage. Die Antwortmöglichkeiten und die erreichten prozentualen Anteile in dieser Teilstichprobe sind:
mit Hoffnungen 35.2%
mit Befürchtungen 21.4%
weder noch 37.9%
unentschieden, keine Angabe 5.5%
In den anderen Altersgruppen liegt der Wert für die Kategorie "mit Hoffnungen" unter 35.2%.

Auch hier bleibt erst einmal festzuhalten, dass im Interview nach Hoffnungen und Befürchtungen und nicht nach einer Beurteilung der Veränderungen gefragt wurde. Die Aussage "Insbesondere die jüngere Generation beurteilt die Veränderungen überdurchschnittlich positiv" wird dadurch erreicht, dass nur die Prozentzahlen für die Kategorie "mit Hoffnungen" der Teilstichproben verglichen werden, ohne die weiteren Kategorien einzubeziehen. Man könnte dieser Aussage auch begründet entgegenhalten:

Nur ein gutes Drittel (35.2%) der Altersgruppe 16-29 Jahre sieht den Veränderungen eher mit Hoffnungen entgegen.

Zu 3. Die Basis für diese Aussage bieten die Antworten auf die Frage: "Wie sehen sie das für sich persönlich: erwarten sie für sich persönlich durch diese Veränderungen alles in allem mehr Vorteile oder mehr Nachteile?"
mehr Vorteile ........ 29.1%
mehr Nachteile ..... 14.0%
weder noch, gleichen sich aus .. 42.8%
unentschieden, keine Angabe ....... 14.1%

14.0% der Gesamtbevölkerung als "kleine Minderheit" zu bezeichnen, ist ein recht ungewöhnlicher Sprachgebrauch. Unabhängig davon ist es problematisch, hier nur diese eine Kategorie ohne Bezug zu den anderen in der Überschrift herauszustellen. Man könnte in dieser Weise hier genauso hervorheben

Weniger als ein Drittel (29,1%) der Gesamtbevölkerung erwartet für sich persönlich mehr Vorteile.

Ich gehe davon aus, dass die Fragebogengestaltung und die gesamte Datenerhebung so sorgfältig wie zu Zeiten von Frau Noelle-Neumann vorgenommen wurden. Bei der Interpretation der erhobenen Daten scheint mir dies hier zugunsten eindrucksvoller Aussagen vernachlässigt worden zu sein.

Die Studie einschließlich des Anhangs mit den Ergebnistabellen und weiteren Daten zur Untersuchung kann kostenfrei als PDF-Datei herunter geladen werden.

Auf der Site zum Wissenschaftsjahr 2014 werden Kommentare zum Thema erbeten.