Methode: die Wäscheleine der Medienheldinnen und -helden

(Der gemeinnützige Blickwechsel e. V. – Verein für Medien- und Kulturpädagogik entwickelt und realisiert seit 1990 medien- und kulturpädagogische Konzepte und Projekte. Die hier beschriebene Methode erwies sich vielfach als hilfreich für den entspannten gemeinsamen Einstieg und hat sich als Reflexions- und Kommunikationsanstoß bewährt.)

Gruppengröße

ideal zehn, maximal 20 Personen

Zielgruppe

Erzieher/-innen, auch mit Eltern möglich; Variation: Kinder ab ca. fünf Jahren

Zeit- und Raumbedarf

je nach Gruppengröße ca. 30 bis 60 Minuten; Gruppenraum mit Stuhlkreis

benötigtes Material

vorbereitete Bilder, Fotos, Ausdrucke von "Heldinnen und Helden“ z. B. aus Fernsehen, Bilderbüchern oder Computerspielen, aufgeklebt auf DiN A4-Pappen
eine Wäscheleine und Wäscheklammern

Hintergrund

Medien gehören zu unserem Alltag. Mediale Inhalte und "Medienstars“ haben soziale und integrative Funktionen. Es geht darum, sich auszukennen, mitreden zu können, dazuzugehören oder auch sich abzugrenzen. Die Medienheldinnen und -helden dienen außerdem als Identifikationsobjekte und bieten Projektionsflächen für eigene Vorstellungen und Wünsche. Kinder weisen Figuren "Gebrauchswert“ zu.

I

hre Lieblingsfigur ist für sie attraktiv, wenn

  • die Figur Gefühle wie Spaß und Aufregung auslöst,
  • die Figur auch bei Freundinnen und Freunden beliebt ist,
  • die Figur jemand ist, mit dem man gern befreundet wäre,
  • sich mit der Figur eine Geschichte durchleben lässt,
  • Kinder sich etwas von der Figur abgucken können.

Die Heldinnen und Helden haben also eine große Bedeutsamkeit. Im Gespräch über persönliche Vorlieben und Abneigungen erzählen Kinder wie auch Erwachsene viel von sich selbst und gleichzeitig werden Reflexionsprozesse initiiert.

Vorbereitung

Suchen Sie Abbildungen von Medienheldinnen und -helden in Zeitschriften oder im Internet. Die Stars können aus allen Medienbereichen kommen: aus Film und Fernsehen, Musik, Computerspielen, Bilderbüchern usw. Die Abbildungen werden einzeln – möglichst formatfüllend auf DIN A4-Pappen – aufgeklebt und sollten eine große Bandbreite abdecken, also unabhängig vom eigenen Geschmack ausgesucht werden. Einige Beispiele je nach Altersgruppe:

  • Bob der Baumeister
  • Anakin Skywalker
  • Prinzessin Lillifee
  • Bibi Blocksberg
  • Justin Bieber
  • Super Mario
  • Winnetou
  • Anke Engelke
  • Hannah Montana
  • Thomas Gottschalk
  • Senta Berger

Sie können auch Merchandising-Artikel zu den Sendungen und Spielen mitbringen lassen. Ob Stofftiere, Sammelkarten, Spielfiguren, Poster, Becher oder T-Shirts, mit allen Artikeln lässt sich eine umfangreiche Mediengalerie zusammenstellen, die Gesprächsanlässe schafft.

Vorgehensweise

Spannen Sie eine Wäscheleine durch den Raum und befestigen Sie die "Galerie der Stars und Sternchen“ mit den Wäscheklammern an der Leine. Die Anzahl der Bilder sollte auf die Gruppengröße abgestimmt sein, bei 25 Personen ca. 50 bis 60 Bilder. Die zahlreichen Heldinnen und Helden auf bunten Pappen sind schon beim Betreten des Raumes ein Blickfang und Kommunikationsanlass.

Durchführung mit den Zielgruppen Erzieherinnen, Erzieher und Eltern

Bitten Sie die Teilnehmenden aufzustehen und sich jeweils zwei Pappen von der Leine zu nehmen – und zwar jeweils eine Heldenfigur, die ihnen gefällt und eine andere, die sie nicht "mögen“ bzw. nicht gerne im Fernsehen oder Kino sehen. Sitzen alle wieder in der Runde, wird der Reihe nach über die Vorlieben und Abneigungen gesprochen. Dabei wird meistens viel gelacht, aber auch debattiert. Als Moderator/-in bringen sie die Teilnehmenden miteinander ins Gespräch. Häufig gibt es Geschmacksunterschiede und kleine Meinungsverschiedenheiten. Bei der Moderation sollten Sie vorher eine Person einweihen, über deren Medienheldinnen und -helden sie sich ein bisschen amüsieren (gehört zur Methode!). Dabei wird schnell deutlich, wie unangenehm ein solcher "Angriff“ sein kann, denn fast immer versuchen wir ganz spontan, uns zu rechtfertigen oder unsere(n) Heldin/Helden in Schutz zu nehmen.

Hintergrund

Wieso tun wir das? Medienfiguren dienen uns oft als Projektionsfläche für Wünsche, Vorlieben, beliebte Eigenschaften. Bei "Antihelden“ sind es dann unbeliebte Eigenschaften oder Dinge, die wir ablehnen, nicht wertschätzen. So verknüpfen wir mit den Heldinnen und Helden eine Reihe persönlicher Vorstellungen. Einfach gesagt: Wird die/der Heldin/Held belächelt, fühlen auch wir uns brüskiert. Ein "Angriff“ auf die Lieblingsstars kann eine Person als persönliche Verletzung oder Beleidigung empfinden, da wir viel von uns preisgeben, wenn wir über unsere Vorlieben und Abneigungen sprechen.

Nun passiert es hin und wieder, dass Erwachsene über die Medienfiguren von Kindern und Jugendlichen abschätzig reden: "Was schaust du denn wieder für einen Quatsch!“. Nicht selten zeigen wir wenig Verständnis und vor allen Dingen hören wir nicht zu. Dabei eröffnen uns gerade hier die Gespräche über Medienvorlieben Zugänge zu den Wünschen, Lebensvorstellungen und Werten der Kinder. Dabei geht es nicht darum, alles uneingeschränkt wertzuschätzen und gutzuheißen, was die Kinder bevorzugen. In einem offenen Gespräch können wir unsere Meinung durchaus kundtun und Dinge sagen wie "Ich mag XY nicht so gerne, die kämpfen mir zu viel, wieso machen die das eigentlich!?“. Das klingt nach Interesse und Neugierde an den Heldinnen und Helden der Kinder und ermöglicht den Heranwachsenden, die eigene Sicht der Dinge mitzuteilen. Das ist eine Form der Reflexion und Bearbeitung von (Medien-)Themen – die Grundlage der aktiven Medienerziehung.

Durchführung mit der Zielgruppe Kinder

Die Wäscheleine eignet sich hervorragend, um sich mit Kindern über ihre medialen Vorlieben auszutauschen. Die Kinder haben oftmals Heldinnen oder Helden aus Hörspielen und Bilderbüchern.

Für die Leine können Sie diese im Internet finden und als pädagogisches Material aufbereiten. Oder die Kinder bringen ihre "Medien“ mit und mithilfe eines Kopierers oder der Digitalkamera werden "Porträts“ der Figuren erstellt.

Sind die Figuren auf Papier, können sie ebenfalls an einer Wäscheleine angebracht oder an eine Wand geheftet werden. Die Kinder suchen sich – im Gegensatz zu den Erwachsenen – nur eine(n) Heldin/Held aus und erzählen, wieso ihre Wahl auf diese Figur gefallen ist. Hierbei geht es nicht darum, andere Meinungen nicht bestehen zu lassen. Im Gegenteil: Die Kinder sollen erkennen, dass andere Kinder andere Vorlieben haben und diese ihre Berechtigung haben. Diese Beschäftigung heißt auch immer, dass sich die Kinder (und Erwachsene) in andere hineindenken. Für die Gesprächsführung sollten Sie folgende Grundsätze beherzigen:

Die Meinung begründen lassen. Fragen Sie nach: "Den findest du (nicht) toll, weil ...!?“. Eine Antwort zu finden ist nicht leicht, weil die Identifikation oftmals über die Gefühlsebene, nicht über den Verstand läuft. Darüber nachzudenken intensiviert die Reflexion. Die Kinder erzählen meistens nicht chronologisch. Versuchen Sie, im Gespräch die Elemente herauszuhören, die dem Kind wichtig sind. Rückversichern Sie sich, ob Sie alles verstanden haben.

Regen Sie die Kinder dazu an, sich kritisch mit ihren Vorbildern (und Vorurteilen) auseinanderzusetzen. Fragen Sie nach, ob es auch Eigenschaften gibt, die den Kindern an ihren Idolen nicht gefallen.

Sensibilisieren Sie für stereotype Rollenbilder: der starke Ritter, der dicke Trottel, der rettende Prinz, die kreischende Hausfrau, die schöne Prinzessin, die helfende Tierärztin ... Regen Sie dazu an, dass den Kindern bewusst wird, dass Menschen, Jungen und Mädchen, im wirklichen Leben vielfältiger sind als in Geschichten.

Quelle: Broschüre Medienkompetenz-Kitas NRW der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, S. 85 - 87 Die gesamte Broschüre kann kostenfrei als PDF-Datei heruntergeladen werden.

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