Schlussbericht der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland": erste Anmerkungen

Am 11. 12. 2007 hat der Deutsche Bundestag als Drucksache 16/7000 den über 500seitigen Schlussbericht der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" veröffentlicht. Auftrag der Kommission war, die Situation von Kunst und Kultur in Deutschland zu beschreiben und Vorschläge für gesetzgeberisches Handeln zu unterbreiten.

Die nach insgesamt vierjähriger Arbeit jetzt vorgelegte umfangreiche Bestandsaufnahme ist mit zahlreichen an Bund und Länder gerichteten Handlungsempfehlungen versehen. Die Handlungsempfehlungen wurden weit überwiegend einvernehmlich beschlossen. Damit ist eine gute Voraussetzung gegeben, dass sie in den weiteren parlamentarischen Verhandlungen in Bund und Ländern nicht nur diskutiert, sondern unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure ernsthaft behandelt und sogar umgesetzt werden.

Nur die Empfehlung der Kommission, "Kultur" als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern, erregte sofort öffentliche Aufmerksamkeit. Ich denke, dass es sich lohnt, die gesamte Bestandsaufnahme genauer anzusehen und auch die zahlreichen weiteren Empfehlungen der Kommission zu beachten, in der eigenen Arbeit zu bedenken und sie dann auch für die (regionale) bildungspolitische Arbeit zu nutzen und an ihrer Konkretisierung mitzuwirken.

Von besonderem Interesse für bildungs- und kulturpolitisch engagierte Medienpädagoginnen und –pädagogen ist das Kapitel 6 "Kulturelle Bildung" (S. 377 ff), in dem es auch einen Abschnitt 6.2.5 "Kulturelle Medienbildung" (S. 395 ff) gibt. Auf Aussagen der GMK wird hier mehrfach verwiesen.
(Der mir bisher nur aus Publikationen der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung bekannte Begriff "Kulturelle Medienbildung" wird hier nicht weiter definiert und nur als "Facette der kulturellen Bildung" umschrieben.)

Ausgewählte Zitate:

"Medienkompetenz umfasst das Wissen über und von Medien, die Nutzung und eigene Gestaltung von Medien, wie auch die Eigenschaft, sich kritisch und reflektiert mit ihnen auseinanderzusetzen.

Die Eigenschaften und Anwendungsfelder sind vielfältig und machen Medienkompetenz zunehmend zur kulturellen und beruflichen Basisqualifikation in allen Schichten der Gesellschaft. Neue Medien haben die Eigenschaft, dass sie sowohl Kompetenzen erfordern als auch Kompetenzen vermitteln. Dazu gehören unter anderem Symbol- und Bildsprachenkompetenz, Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit sowie Text- und Sprachkompetenz, des Weiteren die Fähigkeit, mit neuen Medien sowohl rezeptiv und produktiv als auch kritisch und reflektiert umzugehen. Nur wer in der Lage ist, Medienangebote kritisch zu rezipieren, kann sich auch produktiv mit ihnen auseinandersetzen. Insbesondere Kinder und Jugendliche müssen kompetent darin unterstützt und begleitet werden, die kreativen Wahrnehmungs- und Ausdrucksmöglichkeiten neuer Medien zu erschließen und gleichzeitig die mit unkritischem Medienkonsum einhergehenden Gefährdungen abwehren zu können." S. 395f
(mit Verweis auf ein Papier von Dieter Baacke und eine Stellungnahme der GMK von 2006)

"Der Kindergarten und der Hort sind wichtige Orte für die Aufarbeitung der kindlichen Medienerfahrungen und Medienerziehung sollte schon hier als Bildungsaufgabe wahrgenommen werden." S. 396

"Außerschulische Institutionen haben oft bereits jahrzehntelange Erfahrungen in der Vermittlung von Medienkompetenzen gesammelt und sind näher an den medialen Erlebniswelten von Kindern und Jugendlichen als die Schule. Die Schule sollte diese weitreichenden Erfahrungen nutzen und mit außerschulischen Partnern kooperieren, zum Beispiel mit der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK)." (S. 397)

"Die Enquete-Kommission empfiehlt Bund, Ländern und Kommunen, in die kulturelle Bildung zu investieren..." (S. 397)

"Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung, für die Entwicklung innovativer Konzepte, zur Vernetzung der Akteure und zur Fortbildung von Multiplikatoren die Einrichtung einer Bundeszentrale für kulturelle Bildung." (S. 398)

"Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung, bundesweite Wettbewerbe für alle Sparten der kulturellen Bildung einzuführen, stärker miteinander zu vernetzen und öffentlichkeitswirksamer zu präsentieren." (S. 398)

"Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern, Mediennutzung und Medienkompetenz als Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule zu verstehen. Filmkunst sollte curricular verankert werden." (S. 399)

"Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern, auch für die kulturelle Bildung bundesweite Bildungsstandards zu entwickeln." (S. 399)

"Die Enquete-Kommission empfiehlt Bund und Ländern, die Erzieherausbildung im Bereich kultureller Bildung unter Einbeziehung der Kulturinstitutionen zu verbessern und zu intensivieren. Die Kulturinstitutionen müssen dafür personell und finanziell besser ausgestattet werden. Zukünftige Ausbildungsgänge sollten an Fachhochschulen etabliert werden. Die gesamte Bandbreite kultureller Ausdrucksformen sollte als integraler Bestandteil der Erzieheraus- und –fortbildung verstärkt werden." (S. 399)

"Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern die kontinuierliche Qualifizierung, Weiterbildung und Vernetzung von Lehrkräften und Multiplikatoren zum Thema kulturelle Medien- und Filmbildung sowie die Förderung der Zusammenarbeit von Lehrkräften mit Medienpädagogen." (S. 400)

"Der Lernbereich "Kulturelle Bildung" soll aus bildungs- und kulturpolitischer Perspektive mit dem Ziel eingeführt werden, die Idee einer "Kultur für alle" in der allgemeinbildenden Schule als zweiter Sozialisationsinstanz verbindlich umzusetzen. Er soll ein Gleichgewicht zu den sogenannten PISA-Fächern bilden und Kultur als gleichwertigen Part in der Schule verankern. Er versteht sich explizit nicht als Gegenmodell zur außerschulischen Kulturellen Bildung, sondern als Erweiterung und Unterstützung der gleichen Anliegen und Ziele." (Sondervotum S. 448)

Quellen für die Weiterarbeit:

Anregung für die Weiterarbeit:

Unser Kollege Horst Niesyto hat bereits für das Hearing der SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg "Wege zur Förderung der Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen" am 23.11.2006 konkretisierende Empfehlungen für die Weiterarbeit in Baden-Württemberg formuliert, die auch für andere Bundesländer Anregungen geben können:
Stellungnahme Niesyto

Günter Thiele, 20.12.2007