Verursachen Videospiele Amokläufe?

Gutes Arbeitsmaterial für die medienpädagogische Fortbildung

Die deutsche Chemikerin, Journalistin und Webvideoproduzentin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim produziert für funk, das “Content-Netzwerk von ARD und ZDF“ ihren YouTube-Kanal maiLab mit über 500000 Abonnenten. Mit ihren u.a. mit dem Grimme Online Award 2018 ausgezeichneten Videos versucht sie, “junge Menschen – und vor allem junge Mädchen – für Naturwissenschaften zu begeistern.“

In diesem Beitrag setzt sie sich mit der immer wieder geäußerten Behauptung auseinander, Video-/Computerspiele seien Ursache von Amokläufen.

An konkreten Beispielen kritisiert sie das Argumentieren mit vereinfachten Zusammenhängen, bei dem andere bedeutsame Variablen schlicht ausgeblendet werden. Sie belegt an Beispielen und mit Rückgriff auf die Originalquellen, wie wissenschaftliche Studien verkürzt dargestellt und Ergebnisse selektiv ausgewählt und interpretiert werden. Sie betont:

“Wissenschaftliche Aussagen sind wertlos, solange ihr nicht nachvollziehen könnt, wie diese Ergebnisse entstanden sind.“

Sie demonstriert einen Weg zur eigenen Einschätzung solcher Aussagen am Beispiel der unten aufgeführten Studie von Gentile und anderen. Sie zeigt, dass diese Studie laut Eigenaussage der Teilnehmer zwar eine signifikante Zunahme von “aggressiven Gedanken“ bei langfristig gehäuftem Computerspiel belegt, hebt aber hervor:

“Aggressive Gedanken führen nicht automatisch zu aggressivem Verhalten oder Gewalt.“

Ihre differenzierende Betrachtung möglicher Variablen führt sie an Hand der unten aufgeführten weiteren Studien fort. Abschließend urteilt sie: “Videospiele sind keine Ursache für Amokläufe.“

Im Video erwähnte Studien

  1. Gentile D. A., Li D., Khoo A., u.a., Mediators and Moderators of Long-term Effects of Violent Video Games on Aggressive Behavior - Practice, Thinking, and Action. JAMA Pediatr. 2014;168(5), S.450–457. https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/1850198 “Längsschnittstudie, über 3000 Kinder und Jugendliche - Hauptergebnis: Häufiges Spielen gewaltvoller Videospiele führt zu aggressiven Gedanken (“agressive cognitions”)“
  2. DeCamp, W., Christopher J. F., The impact of degree of exposure to violentvideo games, family background, and other factors on youth violence, Journal of youth and adolescence 46.2 (2017)S. 388-400 https://link.springer.com/article/10.1007/s10964-016-0561-8 “Längsschnittstudie, fast 9000 Jugendliche - Hier wurde zunächst ein Zusammenhang zwischen gewaltvollen Videospielen und aggressivem Verhalten festgestellt, allerdings verschwand dieser Zusammenhang, sobald die Forscher die familiäre Umgebung in die Auswertung miteinbezogen.“
  3. Williams, K. D., The effects of frustration, violence, and trait hostility after playing a video game, Mass Communication and Society Volume 12, (2009)S. 291-310 https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/15205430802461087 “Laborexperiment, in dem Mortal Kombat: Deception gegen Dance Dance Revolution Max 2 getestet wurde.“
  4. Elson, M., u.a., Comparing apples and oranges? Evidence for pace of action as a confound in research on digital games and aggression, Psychology of Popular Media Culture Vol 4(2), (2015) S. 112 - 115 https://psycnet.apa.org/doiLanding?doi=10.1037%2Fppm0000010 “Zur besseren Vergleichbarkeit zwischen gewaltvollem und nicht-gewaltvollem Videospiel wurden hier Unreal Tournament 3 und eine modifizierte, nicht-gewaltvolle Version davon eingesetzt.“
  5. Kneer, J., Elson, M., Knapp, F., Fight fire with rainbows: The effects of displayed violence, difficulty, and performance in digital games on affect, aggression, and physiological arousal, Computers in Human Behavior 54 (2016)S. 142-148. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0747563215300455 “Laborexperiment mit Team Fortress als Ego-Shooter-Testspiel und einer Version mit Regenbogen-Kanonen statt Feuerwerfern.“