Kinder erleben Werbung - medienpädagogische Praxisideen

Werbung umgibt uns und durchdringt unseren Alltag, kurz: Sie ist allgegenwärtig. Diese Sammlung von medienpädagogischen Praxisideen zielt darauf ab, Kinder für die Wirkung und die Funktionsweise von Werbung zu sensibilisieren und damit die Werbekompetenz der Jungen und Mädchen zu stärken.

Kinder als Konsumenten und Kaufberater

Kinder sind in der heutigen Zeit eine attraktive Zielgruppe für die Werbewelt: Einerseits sind sie selbst Konsumenten, andererseits beeinflussen sie die Kaufentscheidungen ihrer Familien maßgeblich. Deshalb setzen Werbestrategien oft bei Kindern an, weil sie richtigerweise davon ausgehen, dass sie ihre Eltern und Großeltern beim Kauf von bestimmten Produkten "beraten". Vor allem bei Artikeln für Kinder kennen sich die Mädchen und Jungen oft gut aus und wissen genau, welches Produkt sie bevorzugen. Denn in der Werbung werden speziell Kinderprodukte mit Attributen belegt, die Kinderwünsche (und auch die der Eltern) direkt adressieren: Kinderjoghurts enthalten dann so viel Kalzium, dass man schnell groß und stark wird. Oder durch die berühmte "Extraportion Milch" wird suggeriert, dass ein Schokoriegel nicht primär eine Süßigkeit, sondern ein richtig gesundes Nahrungsmittel ist.

Werbung wirkt wertevermittelnd

Sowohl im Elternhaus als auch in Kita und Schule eröffnet sich dadurch ein Konfliktfeld: Durch Werbung allgemein und durch die Kinderwerbung speziell setzen Wirtschaft und Markt indirekt Wertmaßstäbe, die nicht immer mit den Werten von Erziehenden übereinstimmen beziehungsweise als "schlecht" oder sogar "gefährlich" empfunden werden. Deshalb sind Pädagoginnen und Pädagogen häufig mit Erziehungsthemen konfrontiert, auf die auch die Werbung einen erheblichen Einfluss ausübt. Dazu gehören zum Beispiel gesunde Ernährung, das Spielverhalten, Geschlechtsstereotype oder die Konsumhaltung. (vgl. Neuss 2005)

Lernziele

Die Kinder sollen

  • ihre Werbekompetenz stärken, indem sie Werbung von regulären Programmen unterscheiden lernen.
  • den Zweck von Werbung erkennen.
  • für Werbung sensibilisiert werden, beispielsweise für die Frage: Wo finde ich Werbung überhaupt?
  • erkennen, dass Werbung einseitig ist.
  • ein kritisches Bewusstsein und Hintergrundwissen über Werbung aufbauen.
  • mit kreativen Ideen mit Werbung und Werbemaßnahmen umgehen lernen.

Kurzinformationen

Titel Medienpädagogische Arbeit mit Werbung Zeitraum 2-3 Tage, oder in den Kindergartenalltag integriert Zielgruppe Vorschul- und Grundschulkinder Materialien Digitalkamera, PC und Drucker, Karton oder großes Papier für Plakat, Werbeprospekte, dicker Karton, um Produkte aufzukleben, gebastelter Fernseher

Merchandising: Produkte mit bekannten Figuren

Auch Merchandisingprodukte füllen den Markt und wollen gekauft werden. Viele Eltern möchten ihren Kindern zum Geburtstag oder für verschiedene Anlässe etwas Besonderes schenken. Immer öfter finden sich unter diesen Geschenken Produkte, die mit Helden und Figuren aus Kino und Fernsehen versehen und deshalb bei den Kindern besonders beliebt sind. Diese Mehrfachvermarktung von Figuren bringt der Wirtschaft große Gewinne und bindet die Kinder zudem an ihre Medienhelden - sie lieben diese Produkte, und Erwachsenen fällt es schwer, diesen Wünschen nicht nachzukommen.

Werbung ist schon im Vorschulalter ein Thema

Medienpädagogische Angebote schaffen

Die Frage ist nun: Wie reagiert die pädagogische Fachkraft auf moderne und "aggressive" Werbung, und welche pädagogischen Angebote kann sie setzen? Besondere Bedeutung erlangt dabei die Sensibilisierung der Kinder für Werbung und Werbestrategien. Die Mädchen und Jungen sollen erkennen, dass Werbung Wünsche erzeugen und fördern will und dass es verschiedene Methoden gibt, Produkte ins rechte Licht zu rücken und auf ansprechende Art darzustellen.

Aufklärung statt Verteufelung

Eine Verteufelung von Werbung und beworbenen Produkten bringt wenig, denn besonders Kinderwerbung "...kommt den Bedürfnissen von Kindern durchaus entgegen: ihrem Spaß am Bunten, Spannenden, ihrer Vorliebe für einfache Gestaltung, für Tiere und Comic-Figuren, ihrem Wunsch nach Zugehörigkeit, Stärke und Erwachsensein." (Neuß 2005). Als medienpädagogische Maßnahme sollte Werbung auch in elementaren Bildungseinrichtungen zum Thema gemacht werden. In der folgenden Ideensammlung finden Sie Anregungen, wie Sie dies mit wenigen Hilfsmitteln in Ihren Kindergartenalltag integrieren können.

Durchführung des Praxisprojekts

Hier erfahren Sie, wie Sie das medienpädagogische Praxisprojekt planen, welche Hilfsmittel Sie benötigen und was Sie bei der Durchführung beachten sollten.

Spaziergang in der näheren Umgebung

Erkunden Sie gemeinsam mit den Kindern die nähere Umgebung und registrieren Sie, wie viel und welche Arten von Werbung die Kinder bereits während dieses Spaziergangs entdecken. Werbung finden wir an unterschiedlichen Orten: beispielsweise in Auslagen, auf Plakatwänden, auf Autos oder als Leuchtreklame. Aber auch ein Briefkasten ist oft gefüllt mit Werbeprospekten. Lassen Sie die Kinder die entdeckten Werbebeispiele fotografieren und gestalten Sie in der Einrichtung anhand dieser Fotos gemeinsam ein Plakat. Durch das gemeinsame aktive Entdecken von Werbung in der näheren Umgebung soll den Kindern bewusst werden, dass Werbung in vielen Bereichen ihres alltäglichen Lebens präsent ist.

Werbung – selbst gemacht

Werbung für unterschiedliche Produkte sammeln

Die Kinder bringen Werbeprospekte von zu Hause mit und schneiden Produkte aus, die sie aus der Werbung kennen. Achten Sie darauf, dass nicht nur Lebensmittelwerbeprospekte dabei sind - es soll auch Werbung für Spielsachen, Kleidung et cetera gesammelt werden. Viele Kinder erinnern sich sicher an die Slogans und Werbesprüche, die für die entsprechenden Produkte eingesetzt werden. Regen Sie die Mädchen und Jungen an, auch Melodien und Lieder, die sie aus der Werbung kennen, vorzusingen.

Einstieg in die Diskussion

In der Gruppe besprechen Sie dann gemeinsam, was die Werbung für diese Produkte verspricht. Diskutieren Sie mit den Kindern, ob diese Versprechungen überhaupt erfüllt werden können. Anregungen zur Diskussion:

  • Beispiel Kinderjoghurt: Woran erkennst du ein Kinderjoghurt? Ist es gesünder als ein "normaler" Joghurt?
  • Beispiel Kleidung: Was denkst du – ist die Winterjacke, auf der "Bob der Baumeister" abgebildet ist, wärmer als eine ohne Abbildung?

Anpassung der Diskussion an den Entwicklungsstand der Kinder

Die Diskussion über Werbeeinschaltungen, die den Kindern bekannt sind, regen die Mädchen und Jungen zu einer genaueren Betrachtung von Werbung an. Sie sollen bereit sein, Werbung nicht mehr einfach passiv zu konsumieren, sondern sich Gedanken über Vermarktungsstrategien, aber auch über das einseitige Bild, das Werbung liefert, zu machen. Dies stellt einen hohen Anspruch an die kognitiven Fähigkeiten der Jungen und Mädchen und setzt voraus, dass sie imstande sind, Sachverhalte kritisch-reflexiv zu hinterfragen. Nicht alle Kinder im Vorschulalter sind schon so weit, deshalb sollten Sie die Diskussion so planen und lenken, dass die Kinder nicht überfordert werden.

Anwendung der erworbenen Werbekompetenz: ein selbst gestalteter Werbespot

Als nächstes versuchen die Kinder, anhand eines gebastelten Fernsehers ein Produkt ihrer Wahl zu bewerben. Dazu schneiden die Kinder das gewünschte Produkt aus der Reklame aus und kleben es auf einen dicken Karton. Die Kinder können einzeln oder zu zweit einen Werbespot entwickeln und diesen den anderen vorspielen. Die Hilfe der pädagogischen Fachkraft wird besonders bei Kindergartenkindern noch notwendig sein. Kinder im Grundschulalter sind sicher schon in der Lage, selbstständig einen kreativen "Werbespot" zu gestalten, der mit Werbeversprechungen und Kaufaufforderungen gespickt ist.

Dazu noch ein Prospekt

Kinder werden zu Werbemachern

Am Ende kleben die Kinder ihr Lieblingsprodukt auf ein (buntes) Blatt Papier und versuchen, dieses Blatt sehr ansprechend zu gestalten. Gemeinsam mit der Kindergartenpädagogin und den anderen Kindern lassen sie sich Werbeslogans und Sprüche einfallen, die zu diesem Produkt passen könnten. Eine Anregung dazu wäre auch, die Slogans am Computer (mit Word oder PowerPoint) auszuarbeiten, weil hier eine bunte und ansprechende Ausgestaltung leicht umzusetzen ist. Nach dem Ausdrucken der Slogans schneiden die Kinder diese aus und kleben sie ebenfalls auf das Blatt Papier. Der kreativen Ausgestaltung mit Konfetti, bunten Farben und Mustern sind anschließend keine Grenzen gesetzt.

Die Eltern einbeziehen

Es empfiehlt sich, die Eltern an diesen Aktionen teilhaben zu lassen und die Ergebnisse sowie die im Vorfeld festgelegte Zielsetzung des Projekts gut sichtbar zu präsentieren.

Die Grundlagen für ein kritisches Bewusstsein schaffen

Durch das kreative Tun und Gestalten eines Werbebeitrags beziehungsweise eines Prospekts sollen den Kindern sowohl die Funktionen als auch die Vermarktungsstrategien, die Werbung verfolgt, näher gebracht werden. Als Produzentinnen und Produzenten schlüpfen sie in die Rolle der Werbemacher und können sich im Gestalten und Planen kreativ mit den verschiedensten Aspekten der Werbung auseinandersetzen. Dies hilft den Mädchen und Jungen, Werbung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und damit eine Basis des kritischen Hinterfragens aufzubauen.

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Information zur Autorin: Elisabeth Schallhart ist Kindergartenpädagogin in Tirol/Österreich und Diplom-Pädagogin mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik und Kommunikationskultur. Sie arbeitet freiberuflich in der Fort- und Weiterbildung von Erzieher(inne)n und als Autorin.

Quelle

Die Website www.bibernetz.de wurde im Projekt BIBER – Netzwerk frühkindliche Bildung für Erzieherinnen und Erzieher entwickelt, das bis 2012 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. Sie enthält zahlreiche weiterhin hilfreiche Materialien und gehört jetzt zum Angebot der Stiftung Digitale Chancen.