Digitale Medien in der frühkindlichen Bildung - Medienbildung in der Kita

Beauftragt und finanziert durch das nordrhein-westfälische Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration wurden 2017 bis 2019 zwölf Kindertageseinrichtungen, die sich zuvor darum beworben hatten, im Rahmen eines Modellprojekts durch “Tandems“ aus dem Institut für soziale Arbeit e.V. und aus dem medienpädadogisch erfahrenen Verein Blickwechsel e.V. begleitet, bei der Beschaffung einer Grundausstattung mit digitalen Medien unterstützt und in regelmäßigen Terminen in der Kita medienpädagogisch beraten und qualifiziert. In zusätzlichen standortübergreifenden Qualifizierungsworkshops wurden übergreifende medienpädagogische Grundlagen und Methoden thematisiert und ein Erfahrungsaustausch gefördert.

Statt einer in der öffentlichen Diskussion vielfach geforderten Fokussierung auf “Einsatz digitaler Medien“ wurde gezielt für eine reflexive Auseinandersetzung mit allen Dimensionen der Medienbildung sensibilisiert. Dabei wurden besonders “die persönliche und institutionelle Haltung zu Fragen digitaler Medien für Kinder gemeinsam erkundet“ um “diese Haltung im Projektverlauf fortlaufend zu reflektieren und auszudifferenzieren“. (Damit wurde m.E. die wichtigste Bedingung für eine nachhaltige medienpädagoische Arbeit erfüllt.) Aufbauend darauf wurde gezielt die angestrebte “(Weiter-)Entwicklung und Umsetzung der einrichtungsbezogenen medienpädagogischen Konzepte und Aktivitäten“ unterstützt. (Abschlussbericht, S.10) Um die so angestoßenen Organisationsprozesse zu unterstützen, wurden die Träger und die Kitafachberatungen in gesonderten Veranstaltungen einbezogen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Beratung und Unterstützung war “die (bildungs-)partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Eltern im Bereich der familialen Medienerziehung.“ (Abschlussbericht, S.11)

Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet durch ein Team um Prof. Dr. Nadia Kutscher. Hauptaufgaben waren die Evaluation des Projekts und das Identifizieren von Gelingensbedingungen für eine pädagogisch sinnvolle Verankerung von Medienbildung in der Kita. Dazu wurden quantitative und qualitative Erhebungen ausgewertet. In vier Einrichtungen mit unterschiedlichen Ausgangslagen wurden ethnographische Beobachtungen und Gruppendiskussionen mit pädagogischen Fachkräften und Eltern durchgeführt Unter Einbeziehung der Reflexionsprotokolle der Tandembesuche wurden “Fallprofile“ der vier Einrichtungen erarbeitet, “an hand derer rekonstruiert wurde, welche Bedingungen sich potenziell begünstigend bzw. erschwerend für die Annäherung an die Projektziele erweisen und welche Gelingensbedingungen für die Verankerung von Medienbildung in Kindertageseinrichtungen relevant sind.“ (S.24) Von dem Team wurden den Teilnehmenden Zwischenergebnisse im Rahmen der standortübergreifenden Qualifizierungsworkshops vorgestellt.

Über Einordnung, Struktur und Ergebnisse des Modellversuchs gibt es auf Youtube einen klar gegliederten Vortrag von Prof. Dr. Nadia Kutscher für den Online-Fachkongress "Kita digital – Medienkompetenz in der Frühpädagogik stärken" des Staatsinstituts für Frühpädagogik (2020):

Digitale Medien in der frühkindlichen Bildung – Medienbildung in der Kita

Quelle

Der 212-seitige Abschlussbericht Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts “Medienbildung in der Kita“ kann als PDF-Datei kostenfrei herunter geladen werden.

Auf S. 123 ff werden dort zusammenfassend “Gelingensbedingungen für die Verankerung von digitaler Medienbildung in der Kindertageseinrichtung“ in acht miteinander verbundenen Teilbereichen formuliert und ausführlich dargestellt:

  • Teamkultur,
  • pädagogische Professionalität,
  • ein breiter Medienbildungsbegriff,
  • eine kompetente Einrichtungsleitung,
  • ein Träger, der die Einrichtungen verantwortlich in Medienfragen begleitet und Ressourcen zur Verfügung stellt,
  • eine dialogische und ungleichheitsreflexive Erziehungs- und Bildungspartnerschaft,
  • die konzeptionelle Verankerung von Medienbildung sowie
  • eine nachhaltige technische Ausstattung der Kindertageseinrichtungen. (S.131)

Aus den Erfahrungen und Erkenntnissen aller Projektpartner wurde abschließend eine empfehlenswerte, praxisorientierte Publikation erstellt:

Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg), Digitale Medien in der frühkindlichen Bildung - Medienbildung in der Kita
Eine Handreichung für pädagogische Fachkräfte, Träger und Eltern in Kindertageseinrichtungen 2020

Sie bietet kurze, einführende Texte zum Modellversuch und zur Medienbildung aus wissenschaftlicher und aus medienpädagogischer Sicht und Erfahrungen und Erkenntnisse zu vier im Modellversuch identifizierten Themenschwerpunkten, die jeweils an Hand differenzierter Fragenkataloge und Praxisbeispiele nachvollziehbar dargestellt werden:

  • “Medienbildung in der Einrichtung zum Thema machen - Was gibt es zu tun, wenn sich eine Einrichtung auf den Weg macht, Medienbildung als Thema zu implementieren?
  • Medienbildung mit Kindern (er)leben - Wie können digitale Medien als Teil der Lebenswelt von Kindern pädagogisch begleitet werden?
  • Medienbildung in der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft - Wie kann Medienbildung als gemeinsame Aufgabe von Eltern und Kindertageseinrichtungen gestaltet werden?
  • Medienbildung sicher gestalten - Was muss für einen sicheren Umgang mit digitalen Medien beachtet werden?“

Die 150-seitige Publikation kann kostenfrei als PDF-Datei herunter geladen werden

Insgesamt wurde damit m.E. eine Konzeption entwickelt und realisiert, die dem Stand der fachlichen Diskussion in der GMK entspricht, potentiell handlungsleitende Ergebnisse erbrachte und auf notwendige strukturelle Konsequenzen verweist. Zum Vergleich sei erinnert an die begründeten Forderungen im Positionspapier der Fachgruppe Kita der GMK von 2017 “Kinder im Mittelpunkt: Frühe Bildung und Medien gehören zusammen“.

Skeptische Anmerkung: Im zum 1. August 2020 in Kraft getretenen durchaus ambitionierten Gesetz zur qualitativen Weiterentwicklung der frühen Bildung sind allgemein wichtige strukturelle Festlegungen und einige verbesserte Finanzierungen enthalten, aber keinerlei Hinweis auf Medienbildung – nicht einmal in den Anforderungen an die verpflichtende Pädagogische Konzeption (§17) und an die regelmäßige Dokumentation (§18).

Weitere Materialien zum Projekt

Im Abschlussbericht werden auf S. 123 ff zusammenfassend “Gelingensbedingungen für die Verankerung von digitaler Medienbildung in der Kindertageseinrichtung“ formuliert. Als Anregung zum Nachlesen und als Reflexions- und Gesprächsanstöße für die medienpädagogische Fortbildung wurden auf produktive-medienarbeit.de sechs ausgewählte Zitate zusammengestellt und mit einigen Fragen und Vorschlägen versehen.

Präsentationen bei der Abschlussveranstaltung des Projekts am 11.02.2019