Medienbildung für alle: Medienbildung inklusiv gestalten!
Positionspapier der Fachgruppe Inklusive Medienbildung der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK) (2018)

Die Fachgruppe Inklusive Medienbildung der GMK versteht sich als interdisziplinärer Zusammenschluss mit dem zentralen Anliegen, das Feld der inklusiven Medienbildung in Praxis und Theorie weiterzuentwickeln. Ziel der Bestrebungen ist, Chancengleichheit sowie Möglichkeiten zur Umsetzung von Inklusion bei gleichzeitiger Berücksichtigung individueller Bedürfnisse entlang der gesamten Bildungskette zu schaffen.

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Die GMK-Fachgruppe vertritt die Auffassung, dass Medienbildung für die Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe und Zugehörigkeit grundlegend ist und folglich integraler Bestandteil von Bildungsprozessen sein muss. Rechtlich verankert ist diese Forderung in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, in der Medien eine Schlüsselstellung bei der Erreichung voller und wirksamer Teilhabe an der Gesellschaft zugesprochen werden.

Die Fachgruppe vertritt ein über die Behindertenrechtskonvention hinausgehendes, weites Inklusionsverständnis, jenseits einer Verengung auf Menschen mit Behinderungen. Dieses Verständnis von Inklusion bezieht verschiedene Heterogenitätsdimensionen wie Behinderung, soziale und/oder kulturelle Herkunft, Geschlecht, Alter mit ein und vereint zwei Diskursstränge miteinander: einerseits Diskurse um die ungleichen Lebensbedingungen und -verhältnisse von Menschen mit Behinderungen und andererseits Diskussionen um die Dynamiken der sozialen Spaltung. Beides umfasst die Analyse, Reflexion und Bearbeitung von Strukturen und Mechanismen des sozialen Ausschlusses. Die aktuellen Strukturen und Bedingungen der Gesellschaft und hieraus resultierender Momente des sozialen Ausschlusses durch Zugehörigkeiten zu bestimmten sozialen Gruppen sind vielschichtig verzahnt. Daher kann Inklusion nicht als "[...] Sonderproblem von [einzelnen] Gruppen, sondern nur als gesellschaftspolitische Aufgabe, inkludierende Verhältnisse zu schaffen, [...]“ (Kronauer 2013: 25) verwirklicht werden. Inklusion wird aus dieser Perspektive als Entwicklungsaufgabe und -anspruch von Gesellschaft verstanden, jedem Menschen unabhängig bzw. in Würdigung von sozialer und kultureller Herkunft, Gender, Fähigkeiten, Gesundheit und Alter eine gleichberechtigte Teilhabe an allen Lebensbereichen zu ermöglichen.

In Anbetracht von Mediatisierungs- und Digitalisierungsprozessen ist unsere Gesellschaft zunehmend von Medien und medialer Kommunikation durchdrungen. Medien wirken in beinahe alle Alltags- und Lebensbereiche hinein, gestalten deren Strukturen mit und beeinflussen das Denken und Handeln von Menschen. Es gilt insofern zu analysieren und zu reflektieren, welche Bedeutung Medien und mediale Infrastrukturen für Prozesse der Inklusion sowie Exklusion haben.

Gleichberechtigter, uneingeschränkter Erwerb von medialen und kommunikativen Kompetenzen für alle Bürger*innen eröffnet Partizipationschancen für verschiedene soziale Gruppen. Die Frage, welchen Beitrag die Medienpädagogik zur Partizipation benachteiligter Gruppen insgesamt leisten kann, ist dabei nicht neu, wenngleich noch immer unbefriedigend gelöst. Die Überlegungen reihen sich im Wesentlichen in die Traditions- und Entwicklungslinien einer handlungsorientierten Medienpädagogik ein, in welcher die Emanzipation und Partizipation von Menschen die grundlegenden Zieldimensionen von Theoriebildung und Praxis darstellen (vgl. Schell 1989; Schorb 2008). Ebenso lassen sich Perspektiven von Medienbildung und Inklusion in Ausführungen zu Medienbildung und sozialer Ungleichheit verorten (vgl. Niesyto 2009; Kamin/Meister 2016).

Das Positionspapier weist auf notwendige Voraussetzungen hin, um (Medien-) Bildungsprozesse über die gesamte Lebensspanne hinweg nach den Zielvorstellungen von Inklusion gestalten zu können.

Zum Selbstverständnis von inklusiver Medienbildung

Inklusive Medienbildung nimmt die Vielfältigkeit des Menschseins in den Blick und bezieht alle Menschen ein. Gleichwohl werden Gruppen, die besonders häufig Erfahrungen von Marginalisierung, Entrechtung, Benachteiligung und Ausschluss machen, in den Fokus gerückt. Neben sozialer und kultureller Herkunft, Bildung, Gender und Alter ist auch Behinderung eine Kategorie, die – meist im Zusammenspiel mit den genannten anderen Kategorien – zu Benachteiligungen in Bezug auf die Teilhabe in, an und durch Medien führen kann (vgl. Bosse 2017; Schluchter 2016).

Es lassen sich drei Felder der medialen Teilhabe identifizieren:

Teilhabe IN Medien: Die Repräsentation von sozialen Gruppen in den Medien ist entscheidend dafür, wie sichtbar Vielfalt in der Gesellschaft ist und wie sie wahrgenommen wird. Dabei ist die Diversität in Redaktionen ein zentraler Ansatzpunkt dafür, dass auch die Darstellung von Gesellschaft vielfältiger wird. Medienpädagogik beschäftigt sich mit stereotypen, klischeebehafteten und stigmatisierenden Darstellungen und setzt diesen durch eigene Medienproduktionen ein vielfältiges und selbstbestimmtes Bild entgegen.

Teilhabe AN Medien: Barrierefreie Medien ermöglichen Teilhabe. Barrierefreiheit betrifft die technische Bedienbarkeit, die Wahrnehmbarkeit mit unterschiedlichen Sinnen sowie die Verständlichkeit der Sprache und Einfachheit der Benutzerführung.

Teilhabe DURCH Medien: Arbeiten, Lernen, Kommunizieren, Beteiligung an öffentlichen Diskursen – digitale Medien bieten vielfältige Möglichkeiten der Partizipation für alle. In Kombination mit unterstützenden Technologien eröffnen sie Teilhabemöglichkeiten, die vielen Menschen bisher verwehrt oder stark erschwert waren (vgl. Bosse 2016).

Barrieren verhindern mediale Teilhabe

Durch Barrieren unterschiedlicher Art wird Medienbildung in der Praxis bislang kaum inklusiv gestaltet. Dies grenzt nicht nur Menschen mit Behinderungen aus, sondern auch weitere benachteiligte Gruppen. Die spezifischen Barrieren und Exklusionsrisiken können sich erheblich unterscheiden: So sind etwa Menschen, die im Alter eine Sehbeeinträchtigung erwerben, mit anderen Barrieren und Schwierigkeiten konfrontiert als minderjährige Geflüchtete mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder Menschen mit Lernschwierigkeiten, die in einer Einrichtung der Behindertenhilfe leben und arbeiten.

Technische Barrieren liegen in der Beschaffenheit der Medienangebote, wenn diese nicht für alle wahrnehmbar oder für unterstützende Technologien unzugänglich sind. Inhaltliche Barrieren ergeben sich auf der Ebene der Verständlichkeit durch komplizierte Strukturen und eine komplexe, mittelschichtsorientierte Sprache, die in vielen Medien, aber auch in vielen Bildungsinstitutionen dominiert. Soziale Barrieren wiederum erschweren oder verhindern aufgrund mangelnder materieller und immaterieller Ressourcen den Zugang zu digitalen Medien sowie eine souveräne und vielfältige Nutzung (vgl. Zaynel 2017). Im 15. Kinder- und Jugendbericht wird darauf hingewiesen, dass auch unter Jugendlichen nach wie vor eine digitale Kluft existiert (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2017). Weitere Studien wie der Digitalindex belegen, dass das Alter in Bezug auf das Medienhandeln eine bedeutende Ungleichheitskategorie darstellt (vgl. Initiative D21 e. V. 2018). Die verschiedenen Faktoren sind intersektional verwoben: Menschen mit Beeinträchtigungen haben überdurchschnittlich häufig keinen allgemeinen Schulabschluss, sind häufiger arbeitslos bzw. nicht erwerbstätig (vgl. BMAS 2016). Das Zusammenspiel von Alter und Beeinträchtigung wirkt sich besonders negativ aus (vgl. Bosse/Hasebrink 2016). Viele Beeinträchtigungen werden erst im Alter erworben.

Nicht zuletzt kann auch eine fehlende oder mangelhafte Motivation, Haltung und Kompetenz des familiären oder pädagogischen Umfelds eine Barriere darstellen. Wenn Heranwachsende aus ihrem Umfeld unzureichende Anregung und Unterstützung oder gar Ablehnung erfahren, wird die eigenständige Medienaneignung insbesondere für Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, erschwert.

Forderungen der GMK-Fachgruppe Inklusive Medienbildung

1. Selbstbestimmte und souveräne Mediennutzung für alle sichern: Abbau von Barrieren

Eine umfassende Zugäglichkeit zu und Nutzbarkeit von Medienangeboten muss für alle gesichert sein.

Medien müssen für alle wahrnehmbar, bedienbar und verständlich sein. Aus diesem Grund müssen sie barrierefrei gestaltet und für unterstützende Technologien zugänglich sein. Es gilt, Medien an die individuellen Bedürfnisse aller Nutzer*innen – mit entsprechenden Hilfsmitteln oder Funktionen der erleichterten Bedienung – anzupassen. Eine Gestaltung nach den Prämissen des Universal Design ermöglicht es, dass Produkte, Geräte, Lernumgebungen und Systeme idealerweise für alle Menschen ohne weitere Anpassung oder Spezialisierung nutzbar sind. Technik und Design sind insofern nicht als unhinterfragte Bedingung, sondern als sozial gestaltbares Element zu sehen. In der medialen Kommunikation ist z.B. Einfache Sprache auf Webseiten von Bedeutung.

Diese Zugänglichkeit zu Medien muss verbindlich durch den Gesetzgeber gesichert sein. Die bestehenden Regelungen sind unzureichend. Die Expertise der Medienpädagogik sollte Bestandteil von Diskussionen um die gesetzlichen Bestimmungen zu Barrierefreiheit von Medien und öffentlicher Kommunikation sein. Bislang ist dies fast ausschließlich Sache von Behindertenverbänden und -bewegungen.

Darüber hinaus müssen medienpädagogische Angebote selbst barrierefrei gestaltet sein. Es kann Gegenstand gemeinsamer aktiver Medienarbeit sein, kreative Lösungen für universelles Design und unterstützende Technologien zu finden. Menschen mit Behinderungen sind hier als Expert*innen für Vereinfachung zu sehen. Erste inklusive MakerSpaces zeigen das große Potenzial für soziale Innovation.

2. Inklusion und mediale Teilhabe in allen Bildungskontexten konsequent mitdenken

Inklusion und Medienbildung eröffnen wechselseitige Partizipationsgewinne und sollten in Bildungsangeboten zusammen gedacht werden.

Entlang der Bildungskette werden Medienbildung und Inklusion in Bildungseinrichtungen in der Regel als zwei separate Anforderungen diskutiert. Dabei bleibt das Potenzial der Medien (-bildung) für Inklusion in der Kita, Schule, außerschulischen Bildung, beruflichen Bildung, Hochschul- sowie Seniorenbildung unberücksichtigt. Kompetenzorientierte medienpädagogische Angebote rücken bislang marginalisierte Gruppen in der Gesellschaft zu wenig in den Fokus von Theorie und Praxis, sodass auch von einer Mittelschichtlastigkeit der Medienpädagogik (vgl. Niesyto 2009: 16) gesprochen wird.

Es besteht ein großer Nachholbedarf in der Entwicklung von Konzepten und Modellen zielgruppenoffener und -sensibler sowie inklusiver Formen der Medienbildung, welche der Heterogenität ihrer Adressat*innen Rechnung trägt. Hierbei ist ein Blick auf die Alltags- und Lebenswelten der Menschen notwendig, der deren Bedürfnisse ernst nimmt und mit diesen gemeinsam versucht, einen Weg der bildungsbezogenen Weiterentwicklung der eigenen Person zu initiieren.

Es gilt bei anstehenden Akzentuierungen und Aktualisierungen von Richtlinien, Curricula, Novellierung von Lehr- und Bildungsplänen sowie bei der Teilhabeplanung, Inklusive Medienbildung und die besonderen Bedürfnisse von benachteiligten Gruppen konsequent mitzudenken und konzeptionell zu verankern. Der Einbezug von Betroffenen als Expert*innen bei der Erarbeitung sichert die Integration ihrer Sichtweise.

3. Aus-, Fort- und Weiterbildung von Fachkräften in Bezug auf inklusive Medienbildung fördern

Inklusive Medienbildung lässt sich entlang der Bildungskette nur verankern, wenn ausreichend ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Das bedeutet, dass Mitarbeiter*innen in allen Bildungsinstitutionen neben der Expertise im Hinblick auf ihre Zielgruppe sowohl in der Medienbildung als auch im Hinblick auf Inklusion ausgewiesen sein müssen. Dazu braucht es Medienpädagog*innen als Expert*innen und medienpädagogische Anteile in den Ausbildungen, in denen auch die Perspektive der Inklusion berücksichtigt wird. Medienpädagogik bzw. Medienbildung stellt in den meisten Studiengängen hingegen kein verpflichtendes Angebot dar. Zudem sind nicht an allen Hochschulen medienpädagogische Professuren eingerichtet. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Studium der Erziehungs- oder Bildungswissenschaften, der Sozialpädagogik oder Sozialen Arbeit heute ausreichende medienpädagogische Kompetenzen im Kontext digitaler Medien erworben werden, um in den verschiedenen Handlungsfeldern medienkompetent – unter der Perspektive von Inklusion – zu agieren. Noch weniger findet inklusive Medienbildung Eingang in Ausbildungen von pädagogischen Fachkräften, die im Kontext von Inklusion besonders bedeutsam sind – etwa bei Erzieher*innen, Ergotherapeut*innen, Heil- und Rehabilitationspädagog*innen oder Logopäd*innen (vgl. Meister 2017).

Inklusive Medienbildung muss verbindlich Eingang in Curricula von Studiengängen und Ausbildungen sowie in Angebote der Erwachsenen- und Weiterbildung erhalten. Weiterhin ist die Entwicklung von Zusatzqualifikationen/Zertifikatskursen notwendig.

4. Multiprofessionelle Kooperation stärken

Für das interdisziplinäre Arbeits- und Forschungsfeld der inklusiven Medienbildung ist der Ausbau multidisziplinärer Kooperationen und Netzwerke wichtig.

Zur Umsetzung inklusiver Medienbildung braucht es einerseits die Expertise unterschiedlicher Professionen, um Barrieren abzubauen und individuelle Bedarfe zu berücksichtigen. Andererseits darf Medienbildung, die den Anspruch hat, inklusiv zu wirken, es nicht Sonderinstitutionen überlassen, bestimmte Gruppen anzusprechen. Kooperationen und Netzwerkarbeit fördern den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer. Eine weitere Verzahnung von Medienpädagogik, spezifischer Fachlichkeit, wie z.B. der Fachdidaktiken, und der Expertise für sonderpädagogische Förderung sind unabdingbar. Gleiches gilt für eine stärkere Zusammenarbeit mit allen Akteur*innen, die das gemeinsame Lernen gestalten.

Multiprofessionelle Kooperationen und Netzwerke zur inklusiven Medienbildung, wie die Fachgruppe Inklusive Medienbildung oder das Netzwerk Inklusion mit Medien (NImM!), sind ein Schritt in diese Richtung und deshalb zu initiieren, zu fördern und weiterzuentwickeln. Nicht zuletzt sollte es getreu des Mottos der Behindertenbewegung "Nichts über uns ohne uns“ darum gehen, Menschen mit Behinderungen und weitere marginalisierte gesellschaftliche Gruppen auf allen Ebenen aktiv einzubeziehen und ihre Mitarbeit in Wissenschaft und Praxis der Medienbildung zu fördern.

5. Ein inklusives Schulsystem unter der Perspektive von Medienbildung unterstützen

Medienbildung kann einen substanziellen Beitrag zur Gestaltung des inklusiven Lernens leisten.

Digitale Medien und inklusive Medienbildung haben ein großes Potenzial, gemeinsames Lernen zu ermöglichen und zu fördern. Sie unterstützen selbstgesteuertes und individualisiertes Lernen sowie Kooperations- und Kollaborationsprozesse (vgl. GMK-Fachgruppe Schule 2016). Digitale Medien können insofern einen substanziellen Beitrag zur Gestaltung und (Weiter-) Entwicklung einer inklusiven Schule leisten.

Insgesamt sehen zu wenig Akteur*innen das Potenzial digitaler Medien für Inklusion und individuelle Förderung in der Schule (vgl. Schmid et al. 2017). Die Kombination von Universal Design (for learning), Barrierefreiheit, unterstützenden Technologien und angemessenen individuellen Vorkehrungen kann für alle Schüler*innen neue individuelle Lernwege, ein Mehr an Partizipation und Ausdrucksmöglichkeiten eröffnen. Ferner können Medien zur Diagnostik, didaktischen Gestaltung von Lehr-Lernprozessen oder als Werkzeuge zum Lernen eingesetzt werden. Ein Verständnis von Medienbildung als Empowermentpraxis ermöglicht die Perspektive der Verzahnung von Inklusion und Medienbildung. Empowerment als pädagogische Intervention zielt auf eine (Wieder-) Aneignung der sozialen Handlungsfähigkeit von Menschen, deren Lebensbedingungen und -zusammenhänge gezeichnet sind von Formen sozialer Benachteiligung, Diskriminierung und/oder Ausgrenzung (vgl. Herriger 1997: 73). Medienangebote und -inhalte sowie Angebote der Medienbildung und Formen aktiver Medienarbeit als (medien-) pädagogische Methode können entsprechend Bestandteil und Ausgangspunkt von Empowermentpraxen sein (vgl. Schluchter 2010: 167–172). Im Fokus aktiver Medienarbeit stehen der Erwerb und die Umsetzung von gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit, verbunden mit dem Ziel, Zugehörigkeit zu und Teilhabe an Gesellschaft zu ermöglichen.

Hierfür notwendig sind die interdisziplinäre Zusammenarbeit und der Austausch unterschiedlicher am Unterricht beteiligten Professionen. Noch zu wenig genutzt wird zudem das Potenzial digitaler Medien in Kombination mit unterstützenden Technologien, um Schüler*innen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen die Partizipation an allen schulischen Aktivitäten zu ermöglichen. Vielfach kann hier lediglich auf das Spezialwissen von sonderpädagogischen Fachkräften zurückgegriffen werden. Diese Expertise ist nicht ausreichend, denn Strategien und Konzepte zum Einsatz von digitalen und assistiven Technologien dürfen nicht vom individuellen Engagement Einzelner abhängen, sondern müssen als Teil der Schulentwicklung und Schulkultur begriffen werden. Medienkonzepte an Schulen, die auch den Einsatz von digitalen Medien und assistiven Technologien zur Unterstützung unterschiedlicher Bedarfe einschließen, sind ein Schritt auf Schulebene. Dazu gehört auch ein guter pädagogischer und technischer Support, der nicht allein auf der Ebene der einzelnen Schulen gelöst werden kann. Außerschulische medienpädagogische Partner*innen verfügen über vielfältige Kenntnisse und Angebote. In Kombination und in Kooperation mit der inklusiven Medienbildung an Schulen sind außerschulische Angebote auszubauen und zu festigen.

6. Gestaltung öffentlicher Kommunikation

Allen Menschen muss die Möglichkeit zur aktiven Einmischung in das gesamte Spektrum der öffentlichen Kommunikation eröffnet werden, um ihre Bedarfe zu artikulieren und öffentlich zu kommunizieren.

Medien prägen gesellschaftliches Orientierungs- und Deutungswissen. Sie müssen deshalb die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln und Stigmata, Klischees und Vorurteilen entgegenwirken. Das schließt die öffentliche Kommunikation in allen Medien ein, auch Lernmaterialien sowie Kinder- und Jugendmedien. Eine entscheidende Voraussetzung, dass dies gelingen kann, ist Diversität in den Redaktionen. Redaktionen sollten in ihrer personellen Zusammensetzung die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln und die Mitarbeiter*innen sollten durch Aus- und Fortbildungen für das Thema sensibilisiert werden.

Medien dienen der Identitätsbildung und Selbstvergewisserung. Um diese Auseinandersetzungsprozesse angemessen begleiten zu können, müssen Verantwortliche für Bildungsprozesse sich intensiv mit medialen Bildern und Repräsentationen von Vielfalt und Inklusion beschäftigt haben. Zu untersuchen und diskutieren ist, welche Bilder in Medien geprägt werden, und auch: was fehlt? Inklusive Medienbildung bietet Möglichkeiten des kulturellen Selbstausdrucks, die massenmedialen Darstellungsweisen eine individuelle Auseinandersetzung entgegensetzen können. Voraussetzung dafür ist, dass die produzierten Medien der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die zahlreichen Blogs, Facebook-Gruppen, Videokanäle und Twitter-Accounts von Aktivist*innen mit Behinderung zeigen das Potenzial digitaler Medien für Empowerment.

Von der Behindertenbewegung lässt sich viel lernen, wie Medien (-arbeit) für alle zugänglich und nutzbar gemacht werden kann, wo Medien stigmatisieren und Klischees transportieren. Sie hat eigene Forderungen in Bezug auf mediale Teilhabe, bisher laufen die Diskurse noch weitgehend getrennt nebeneinander her. Die vom Fachausschuss Kommunikation und Medien bei der Bundesbehindertenbeauftragen erstellten Leitfäden "Auf Augenhöhe. Leitfaden zur Darstellung von Menschen mit Behinderung für Medienschaffende“ und "Schule inklusiv – Leitfaden für Bildungsmedien“ sind ein Schritt, Diskurse zusammenzuführen und sollten einer breiten Fachöffentlichkeit (Medienschaffenden und pädagogisch Tätigen) bekannt gemacht werden.

7. Transdisziplinäre Forschung und Evaluation fördern

Um die Potenziale von Inklusiver Medienbildung in Kontexten verwandter Disziplinen und Professionen auszuloten, bedarf es transdisziplinärer Forschungsansätze.

Die Potenziale von Inklusiver Medienbildung lassen sich nicht alleine innerhalb von Zusammenhängen beschreiben, die originär medienpädagogisch geprägt sind, sondern auch in pädagogischen Kontexten benachbarter Disziplinen und Professionen, in denen inklusive medienpädagogische Praxis und Forschung stattfinden. Dies trifft unter anderem auf Schulpädagogik, Sozialpädagogik/Soziale Arbeit, Heilpädagogik und Rehabilitationswissenschaften zu. So könnten Methoden einer Inklusiven Medienpädagogik das handlungs- und forschungsmethodische Repertoire der Sozialpädagogik sowie der Schul- und Heilpädagogik erweitern.

Perspektiven der Inklusiven Medienbildung können ferner die Forschung und Theoriebildung in den benachbarten Disziplinen bereichern, da Inklusive Medienbildung über Wissen und Kompetenzen in Feldern verfügt, die zunehmend auch in anderen pädagogischen Kontexten bedeutsam geworden sind (z.B. Medienkompetenz, digitale Inklusion und Exklusion, Umgang mit Big Data). Es besteht ein Bedarf an (empirischer) Grundlagen- und Anwendungsforschung sowie Theoriebildung, ebenfalls erscheint eine stärkere Verzahnung von Theorie und (Berufs-) Praxis erforderlich (vgl. Schluchter 2014: 355). Dies kann durch die Entwicklung von gegenstandsangemessenen Forschungsdesigns, wie z.B. durch gestaltungs- und entwicklungsorientierte Forschung, die die Partizipation des Beforschten berücksichtigt, gelingen (vgl. Tulodziecki/Herzig/Grafe 2013; Kamin/Meister 2017).

Partizipative Forschung und inklusive Forschungsteams sind zu fördern. In der Wissenschaft müssen Rahmenbedingungen so verändert werden, dass Wissenschaft und Forschung in inklusiven und transdisziplinären Teams selbstverständlich wird. Barrierefreiheit muss auch in der Forschung sichergestellt werden und darf bei Projektanträgen kein Wettbewerbsnachteil sein (vgl. Aktif 2017).

Materialien und Projekte

AG Lokale Medienarbeit NRW e. V. in Kooperation mit der Technischen Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg) gGmbH: NImM! | Netzwerk Inklusion mit Medien. Duisburg. Abrufbar unter: inklusive-medienarbeit.de [Stand: 19.09.2018].

Bosse, Ingo/Schluchter, Jan-René/Zorn, Isabel (Hrsg.): Handbuch Inklusion und Medienbildung. Weinheim: Beltz Juventa. Demnächst online verfügbar.

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2018): Inklusive Medienbildung. Ein Projektbuch für pädagogische Fachkräfte. Ab November 2018 als kostenlose Print- und Onlineversion unter bzga.de verfügbar.

Bundeszentrale für politische Bildung: einfach Internet: Online-Leitfäden in einfacher Sprache | bpb. Berlin. Abrufbar unter: bpb.de/lernen/digitale-bildung/medienpaedagogik/214270/einfach-internet-online-leitfaeden [Stand: 19.09.2018].

Bundeszentrale für politische Bildung: “Werkstatt einfache Sprache” | bpb. Abrufbar unter: bpb.de/lernen/projekte/inklusiv-politisch-bilden/227411/werkstatt-einfache-sprache [Stand: 19.09. 2018].

Bundeszentrale für politische Bildung (2018): Wege zur Inklusion | bpb. Abrufbar unter: bpb.de/lernen/projekte/inklusiv-politisch-bilden/227406/wege-zur-inklusion [Stand: 19.09.2018].

PIKSL (Personenzentrierte Interaktion und Kommunikation für mehr Selbstbestimmung im Leben – In der Gemeinde leben gGmbH. Abrufbar unter: piksl.net [Stand: 19.09.2018].

NetzStecker – Lebenshilfe Münster e. V. Abrufbar unter: lebenshilfe-muenster.de/de/projekte/ netzstecker/ [Stand: 19.09.2018].

Selfmade – inklusionsorientierter MakerSpace im UK-Büro Dortmund. Abrufbar unter: selfmadedortmund.de [Stand: 19.09.2018].

Mitgewirkt an diesem Positionspapier zur inklusiven Medienbildung haben zahlreiche Mitglieder der GMK-Fachgruppe Inklusive Medienbildung, hauptverantwortlich für den Text sind: Ingo Bosse, Anne Haage, Anna-Maria Kamin und Jan-René Schluchter.

Literatur

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Bosse, Ingo (2017): Digitale Teilhabe im Kontext von Beeinträchtigung und Migration. Zum Selbstverständnis inklusiver und integrativer Medienbildung. In: von Gross, Friederike/Röllecke, Renate (Hrsg.): Medienpädagogik der Vielfalt -– Integration und Inklusion. Dieter Baacke Preis Handbuch 12. Medienpädagogische Konzepte und Perspektiven. Beiträge aus Forschung und Praxis. Prämierte Medienprojekte. München: kopaed, 19–30.

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