GMK-Fachgruppe Film, Raus aus der rechtlichen Grauzone! Filmbildung nur in Farbe (2011)

Das bewegte Bild, Film und Fernsehen, ist ein Leitmedium des 21. Jahrhunderts. Unabhängig vom Distributionsweg ist das Bewegtbild Grundlage der meisten Medienangebote. Neben dem klassischen Ort "Kino" als Instanz für die Vermittlung von Filmkunst, ist es zunächst das Fernsehen, das den Film sowohl als Fiktion als auch als Non-Fiktion verbreitet. In den letzten Jahren ist auch das Internet immer mehr zur Verbreitungsplattform von Bewegtbild geworden und es sind nicht mehr nur Übertragungen bekannter Formate, die dort zu sehen sind, sondern auch eigene, neue Formate, der Schnelllebigkeit des Internets angeglichen. Die rasante Entwicklung bei den mobilen Endgeräten wie Tablets und Smartphones machen das Bewegtbild überall und jederzeit verfüg- und bearbeitbar sowie manipulierbar. Die alltägliche Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen wird maßgeblich von bewegten Bildern beeinflusst. Wir befinden uns in einer Welt, die im Wesentlichen durch (bewegte) Bilder bestimmt ist (nicht nur durch Texte und Bücher).

Die Verortung der Welt, die Aneignung von Weltwissen findet über Bilder statt. Dabei sind Bilder suggestiver als Worte, weil sie uns in einer komplexen Weise auf einer bewussten, aber auch unbewussten Ebene ansprechen können. Doch der Umgang mit all diesen (Bewegt-)Bildern wird in der Schule kaum vermittelt. Eine visuelle Alphabetisierung ist also zwingend notwendig und das ist Grund genug, Film als Gegenstand von Bildungsprozessen zu betrachten. Aber natürlich nicht nur im Kontext einer kritischen Reflexion, sondern auch und vor allem vor dem Hintergrund, Film und Fernsehen als Kulturgut zu begreifen und zu verstehen sowie die produktive Filmarbeit zu fördern. Es geht also darum, Filmbildung im pädagogischen Kontext und hier vor allem in der Schule und der universitären Ausbildung zu etablieren.

Dabei geht es zunächst darum, dass Basisqualifikationen zum Bildverstehen vermittelt werden. Schülerinnen und Schüler muss die Bedeutung und Wirkung der visuellen Gestaltungsmittel nahe gebracht werden. Von ebenso großer Bedeutung für den Verstehensprozess bewegter Bilder sind die Montageformen, mit denen Filmsequenzen zu Gesamtwerken zusammengefügt werden. Montage und Kamerastil sind letztendlich verantwortlich für den Erzählstil und die filmische Ästhetik. Diese Qualifikationen lassen sich ebenso wenig nur theoretisch vermitteln wie das Lesen- und Schreibenlernen. Praktische Übungen sind konstituierend für das nachhaltige Erfahren von Wirkung und Bedeutung filmischer Mittel. Die Vermittlung dieser Basisqualifikationen zum Bildverstehen ist vergleichbar mit dem Erlernen von Lesen und Schreiben.

Führt man sich diese Inhalte vor Augen und bedenkt man die lerntheoretischen Erkenntnisse, die selbst gesteuertes Lernen und kooperative Lernformen, also Lernen im sozialen Zusammenhang, in den Mittelpunkt stellen, wird die Komplexität von schulischer Filmbildung deutlich. Gleichzeitig heißt das aber auch, dass bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen. So wie jeder Deutsch- oder Englischlehrer ja nicht nur ein Buch für seinen Unterricht bereithält, das er sich aus der Bücherei für eine Woche ausgeliehen hat, sondern die Schülerinnen und Schüler auffordert, sich das Buch ebenfalls zu kaufen oder einen Klassensatz zur Verfügung stellt, damit mit der Lektüre im Unterricht gearbeitet werden kann, genauso muss ein Lehrer, der Film zum Gegenstand seines Unterrichts macht, mehrere Exemplare dieses Films für den Unterricht zur Verfügung haben. Wenn die Schülerinnen und Schüler im Sinne von individueller Förderung und kooperativem Lernen Lernsituationen selber steuern und gestalten, dann müssen sie jederzeit den Zugriff auf den Film haben, um die unterschiedlichen Aufgaben und Herangehensweisen, die in der Regel ja in Gruppen bearbeitet werden, erfüllen zu können. Das spricht auch gegen den Kauf einer DVD mit Vorführ-rechten, da auch hier nur ein Exemplar aufgrund des Preises erworben werden kann. Und schließlich zahlt kein Lehrer "Vorleserechte" für ein Buch, sondern den normalen Ladenpreis. Warum sollte das nicht bei einer DVD im Rahmen von Bildungsarbeit möglich sein, zumal mit der Filmarbeit die Schülerinnen und Schüler an das Kulturgut Film herangeführt werden und so künftige Kinogänger geworben werden.

Hier klingt schon die eigentliche Problematik an, nämlich die große Verunsicherung von Lehrenden, inwieweit Film im Unterricht verwendet werden darf. Da gibt es die Auffassung (u.a. die des Rechtsausschuss' des Deutschen Bundestages und einiger Schulministerien), dass in Schulklassen keine Öffentlichkeit besteht und damit gekaufte oder aus der Videothek entliehene Filme gezeigt werden dürfen. Filmverleiher sehen das anders. Und wie ist es mit einem Kurs? Oder in der Hochschule im Seminar? Ist das Öffentlichkeit? Oder herrscht auch hier eine enge Verbundenheit des Lehrenden mit den Schülern oder Studierenden? Dieses Lavieren und die damit verbundene Unsicherheit empfinden viele Lehrende als unerträglich, zumal Schule und Hochschule ein öffentlicher Raum ist und Unterricht keine Privatangelegenheit.

Niemand will und kann sich auf Dauer in einer Grauzone aufhalten. Das verhindert eine systematische Filmbildung - denn die kann es nur in Farbe geben.

Deshalb stellen wir folgende Forderungen:

Damit Filmbildung in allen Bildungseinrichtungen systematisch durchgeführt werden kann, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die dies ermöglichen. Dazu gehört neben der Anerkennung des Films als Kulturgut sowie der bildungspolitischen Einsicht, dass die Bildlesekompetenz eine Schlüsselqualifikation für unser Jahrhundert ist, die uneingeschränkte Nutzung von Filmen (Spiel-, Kurz, Dokumentar-, Fernsehfilm) in Bildungseinrichtungen.

Alle mit öffentlichen Geldern (Filmförderung, Rundfunkgebühren) geförderten und finanzierten Filme müssen der Bildungsöffentlichkeit unabhängig von Urheberrechtsfragen zur Verfügung gestellt werden.

Kauf-DVDs müssen in Bildungseinrichtungen wie Bücher eingesetzt werden können.

Alle Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens dürfen auch als Kopie in Bildungseinrichtungen eingesetzt werden. Das Urheberrecht sowie die entsprechende Gesetze bzw. Förderrichtlinien sind entsprechend zu ändern.