Wolf-Rüdiger Wagner, Medienbildung und Schulentwicklung

"Medienkompetenz entwickeln und eine neue Lernkultur in der gymnasialen Oberstufe fördern", mit dieser Zielvorstellung wurde das Modellprojekt "Medien und Kommunikation" gestartet. Ebenso wie im folgenden Transferprojekt setzte man darauf, durch den produktiven Einsatz von Medien die Lernkultur zu verändern. So gesehen bieten Überlegungen zum Zusammenhang von Medienbildung und Schulentwicklung den an den beiden Projekten Beteiligten nichts Neues, können sie letztlich nur darin dazu ermutigen, ihre Erfahrungen für die Weiterentwicklung von Schulen konstruktiv zu nutzen.

Mit Blick auf die pädagogische Diskussion insgesamt, muss man jedoch feststellen, dass die Themen Medienbildung und Schulentwicklung weitgehend getrennt diskutiert werden. Dies zeigt sich u. a. an den Rahmenkonzepten zur Schulentwicklung, die in einzelnen Bundesländern veröffentlicht wurden.

Von daher macht es durchaus Sinn hier noch einmal die Argumente vorzutragen, die dafür sprechen, dass einerseits die Verankerung von Medienbildung in der Schule nur eine Chance hat, wenn sich die Lernkultur verändert, dass aber andererseits die Veränderung der Lernkultur eng an die aktive und produktive Nutzung der Medien gebunden ist. Diese Überlegungen sollen zuerst aus der Perspektive der Medienbildung entwickelt werden, um sie dann aus der Perspektive der Schulentwicklung aufzugreifen und so den oftmals ausgeblendeten inhaltlichen Zusammenhang zwischen beiden Diskussionssträngen herauszuarbeiten. Dabei erscheint beim Thema Medienbildung ein knapper Exkurs in die Mediengeschichte angeraten, um den gängigen pädagogischen Blick auf die Medien zu korrigieren, damit Medienbildung aus der sozialpädagogischen Unschärfe der Medienerziehung zu einem klarer konturierten Thema von Allgemeinbildung wird.

Medienbildung - eigentlich kein Thema!

Eigentlich ist alles klar, wenn um es um das Thema Medienbildung geht. Da Schule keine private Veranstaltung ist, gibt es offizielle Vorgaben und Aussagen über die Aufgaben von Schule. Auch zur Medienbildung gibt es klare Aussagen, z. B. die Erklärung der Kultusministerkonferenz (KMK) zur "Medienpädagogik in der Schule" aus dem Jahr 1995, in der es heißt, Medienpädagogik müsse Schülerinnen und Schüler zu einem sachgerechten, selbst bestimmten und sozial verantwortlichen Umgang mit den Medien befähigen. Es sei erforderlich, dass die Schülerinnen und Schüler:

  • "sich in der Medienwelt zurechtfinden können, d. h. daß sie die Angebotsvielfalt der Medien kennen, ihre vielfältigen (inhaltlichen und technischen) Verflechtungen wahrnehmen, Zugangsmöglichkeiten erfahren, die Handhabung einüben und Auswahl und Nutzung sinnvoll gestalten lernen,
  • die durch Medien vermittelten Informationen, Erfahrungen und Handlungsmuster kritisch einordnen können, d. h. daß sie sie auf ihren Realitätsgehalt überprüfen, sie in Beziehung setzen zur gesellschaftlichen Funktion der Medien und zu den ökonomischen Bedingungen ihrer Produktion und Verbreitung,
  • sich innerhalb einer von Medien bestimmten Welt selbstbewußt, eigenverantwortlich und produktiv verhalten können, d. h. daß sie ästhetische und moralische Wertmaßstäbe entwickeln, neben analytischen auch kreative Fähigkeiten aufbauen, über praktische Medienarbeit lernen, eigenen Vorstellungen und Interessen Ausdruck zu verleihen und diese auch öffentlich zu machen." (KMK 1995, S. 1)

Die Bedeutung der Medienpädagogik wird in einem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 28.02.1997 zum Thema "Neue Medien und Telekommunikation im Bildungswesen" noch einmal hervorgehoben:

"Die Vielfalt der Medientechnologien erfordert eine intensivere Auseinandersetzung mit den Strukturen, Abhängigkeiten, Inhalten und Zielen der Medien in allen Bereichen des Bildungswesens. Zukünftiges Leben in einer von Medien dominierten Welt ist verantwortlich, selbst bestimmt und selbstbewußt nur mit differenzierten Kenntnissen der grundlegenden Sachverhalte möglich. Eine gezielte Aufnahme der Themenstellungen in den Bildungskanon ist deshalb unerlässlich." (KMK 1997, S. 1)

Auf diese Aussagen kann man sich selbstverständlich bei Überlegungen zur Medienbildung berufen. Wer Medienbildung aber tatsächlich als Teil der Allgemeinbildung in Schule verankern möchte, erscheint gut beraten zu sein, nicht isoliert über die Bedeutung von Medienbildung zu diskutieren. Erfolgsversprechender erscheint es, die Schnittstellen zwischen Zielen der Medienbildung und der allgemeinen Diskussion über Schulentwicklung herauszuarbeiten. Dafür sprechen u. a. folgende pragmatische Überlegungen:

  • Es herrschen schlechte Zeiten für die Medienpädagogik, denn in der öffentlichen Diskussion über Medien, sofern sie überhaupt stattfindet, finden zurzeit eher die medienkritischen Stimmen Resonanz.
  • Durch diese aktuelle medienkritische Stimmungslage wird in der pädagogischen Diskussion die schon immer oder noch immer vorhandene Tendenz verstärkt, aufgrund eines verengten Blicks auf die Medien, Medienbildung auf präventive Medienerziehung zu reduzieren.
  • Wenn Medienbildung im Sinne präventiver Medienerziehung als zusätzliche Aufgabe an Schule herangetragen wird, führt dies zu durchaus verständlichen Abwehrreaktionen aus dem Gefühl heraus, neben vielen anderen Entwicklungsaufgaben auch noch als sozialpädagogische Reparaturwerkstatt für gesellschaftliche Fehlentwicklungen in die Pflicht genommen zu werden.
  • Dies bedeutet auch, dass es angesichts der Vielzahl von Anforderungen, die aus Politik und Gesellschaft an Schule herangetragen werden, es pädagogisch zentralere Aufgaben für Schule zu geben scheint, um die man sich vorrangig kümmern sollte.
  • Spricht dann nicht vieles dafür, sich angesichts der Medienflut wenigstens in der Schule auf die grundlegenden Kulturtechniken zu konzentrieren?

Exkurs zur Kulturrelevanz der Medien

Blickt man auf die Medienentwicklung kann man zum einen die Tendenz feststellen, dass die Medien immer stärker unser Verhalten beeinflussen und unsere Vorstellungen von der Wirklichkeit präformieren. Andererseits erweitern die Medien unsere Verhaltensoptionen und erweitern unsere Vorstellungen von Wirklichkeit. Es ist durchaus legitim über die Medienentwicklung unter dem Aspekt dieses Spannungsverhältnisses nachzudenken. Im Diskurs über Medien, nicht zuletzt im pädagogischen Diskurs über Medien, gerinnt diese Ambivalenz aber schnell zum Schlagwort vom "Verlust der Wirklichkeit".

So lange derartige Stereotypen die Diskussion über Medien bestimmen, bleiben die besten Argumente für eine Stärkung der Medienbildung in der Schule relativ wirkungslos. Daher hier ein kurzer Ausflug in die Mediengeschichte.

Selbstverständlich beeinflussen die Medien unsere Vorstellungen von Welt und ist dies auch ein Thema der Medienbildung. Aber auch ohne Medien haben wir keinen unmittelbaren Zugang zu Wirklichkeit, nehmen wir nie "Wirklichkeit an sich" wahr, wie sich z. B. an Wahrnehmung von Landschaft schnell aufzeigen lässt. So lange die Alpenüberquerung mit großen Gefahren verbunden war, hatte man kaum Augen für das majestätische Alpenpanorama, sondern bezeichnete die Alpen als "montes horribiles". Wer die Medien abschaltet, gelangt auch nicht zu einer "unmittelbaren Erfahrung. Die Vorstellungen einer unmittelbaren Erfahrung, unbeeinflusst von kulturellen Mustern und Erfahrungen, ist ein Mythos.

Der Einfluss der Medien beginnt aber schon lange vor dem Fernsehen und den modernen Massenmedien. So schwärmt Goethe bei seiner ersten Ankunft in Rom davon, dass er endlich alle die antiken Schauplätze im Original sieht, die ihm schon längst von Abbildungen und Modellen aus dem Haus seiner Vaters in Frankfurt vertraut sind. (Goethe 1998, Bd. 11, S. 126)

Ein besonderes augenfälliges Beispiel für ein medial beeinflusstes "Wahrnehmungsmodell" bilden die Landschaftsbilder von Claude Lorrain aus dem 17. Jahrhundert. Lorrain gilt als Hauptvertreter der idealistischen Landschaftsmalerei.

Um ein Landschaftserlebnis hervorzurufen, das den Bildern Claude Lorrains entsprach, benutzten Reisende des 18. Jahrhunderts als Hilfsmittel so genannte "Claude-Gläser" Bei diesen Gläsern handelte es sich um konkave, schwarz unterlegte Weitwinkelspiegel, durch die die Ansicht der Landschaft verkleinert und zugleich die Kontraste der Farben so gemindert wird, dass eine größere Harmonie des Farbzusammenklangs erzielt wird. Betrachtet man eine Landschaft in diesen Spiegeln – kehrte man also der Landschaft den Rücken – ergab sich im Hohlspiegel ein Landschaftseindruck, der sich in Proportionen und Farbgebung den idealisierten Landschaftsbildern Lorrains anglich.

Dass dieses Beispiel Anlass, geben kann, darüber nachzudenken, ob eine auf die jeweils aktuellen Medienentwicklungen fixierte Medienkritik nicht ausgesprochen geschichtsblind und damit kurzschlüssig gerät, ist ein durchaus beabsichtigter Nebeneffekt. Für Überlegungen zur Medienbildung werden die Claude-Gläser jedoch dadurch besonders interessant, weil es sich hier keineswegs um eine etwas abseitige Modeerscheinung handelte.

Im 18. Jahrhundert schätzte man Spiegel als didaktische Sehhilfen, "als Mittel zum richtigen Sehen". Der Begriff der "Rahmenschau" steht für das "typische Sehprinzip" des 18. Jahrhunderts. Hierbei geht es um die Bevorzugung des Auges und einer bestimmten Grundform des Sehens: "der gewollten didaktischen Beschränkung des Gesichtskreises auf das kleinste Feld der schärfsten Apperzeption". Charakteristisch für die "Rahmenschau" sind Absonderung des Gegenstandes und seine "Umrahmung", "Stillstellung" des Gegenstandes und die "Zusammenschau", womit das "konzentrierte gleichzeitige Übersehen des an sich Verstreuten" gemeint ist. (Langen 1934, S. 1)

Der Rationalismus fordert in erster Linie treue, objektive Aufnahme und Wiedergabe des Gegenstandes, und der relativ schärfste Sinn, das Auge, wird zum Symbol dieses Erkenntniswillens. Voraussetzung dieser Einstellung ist eine fast vollständige Abkehr vom Subjekt, von jeder Selbstschau des Individuums ... Gleicher 'Gesichtspunkt', gleiche Sehweise für alle ist das ideale Ziel. Wie Spiegel oder Camera obscura, die das Jahrhundert als Sehhilfe und Gleichnis gern verwandte, soll auch der Mensch aufnehmen und ohne subjektive Zutat die Wirklichkeit registrieren und abschreiben." (Langen 1934, S. 12)

Ein Bespiel für diese Erziehung zum richtigen Sehen ist das Gedicht "Bewährtes Mittel für die Augen" des Barockdichters Barthold Hinrich Brockes (1680 – 1747)

"In einem flachen offnen Felde, in welchem ihr spatzieren geht,
Und, durch der Vorwürf’ Anzahl, nichts, als etwan Feld und Himmel, seht,
Will ich euch, in verschiedner Schönheit, statt einer Landschaft, tausend weisen.
Man darf nur bloß von unsern Händen die eine Hand zusammenfalten,
Und sie vors Auge, in der Form von einem Perspective, halten;
So wird sich, durch die kleine Öffnung, von den dadurch gesehnen Sachen /
Ein Theil der allgemeinen Landschaft, zu einer eignen Landschaft machen,
Von welcher, wenn man mahlen könnte, ein’ eigne nette Schilderey
Zu zeichnen und zu mahlen wäre. Man darf sie nur ein wenig drehen;
So wird man alsbald eine neue, von ganz verschiedner Schönheit, sehen." (zitiert nach Langen 1934, S. 28 f.)

Bei diesem Lob des "Ausschnittes" kann man an Motivsucher denken, wie sie auch heute von Filmregisseuren und Kameraleuten benutzt werden. Man kann aber auch daran grundsätzliche Überlegungen zum Unterschied zwischen der Betrachtung eines Bildes, z. B. einer Fotografie, und der unmittelbaren Wahrnehmungssituation anknüpfen.

Die Betrachtung einer Fotografie unterscheidet sich von der unmittelbaren Betrachtung vor allen durch:

  • Ausschnitt
  • Schärfenbereich
  • Verkleinerung
  • Immobilisierung
  • Beschränkung auf das Sehen
  • Privilegierter Beobachterstandpunkt (vgl. Buddemeier 1981, S. 88 – 95)

Abhängig vom Interesse am jeweiligen Wirklichkeitsausschnitt bietet die Fotografie dem Betrachter aufgrund dieser Eigenschaften unter Umständen gegenüber der unmittelbaren Betrachtung Vorteile, erleichtert die Fotografie das "Sehen" und ruft evt. sogar die "Illusion des Mehr-Sehens" hervor.

Medien sind also nicht nur Ersatz für die unmittelbare Anschauung, sondern liefern uns Ausschnitte und Dimensionen von Wirklichkeit, die sich grundlegend von unseren unmittelbaren durch Erfahrungsmöglichkeiten unterscheiden. Eine bloße Verdopplung unserer Wahrnehmung wäre im Prinzip auch unproduktiv.

Dass Medien uns zwangsläufig immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit präsentieren, diesen Ausschnitt immer aus einer bestimmten Perspektive darstellen, dabei nur bestimmte Informationen transportieren und ihren jeweils medienspezifischen Gesetzlichkeiten und Strukturen folgen, zählt zu den Grundeinsichten, die über Medienpädagogik vermittelt werden müssen. Medienabstinenz ist keine realistische Alternative zur Vermittlung von Medienkompetenz, denn ohne die medial vermittelte Erweiterung unserer Erfahrungsmöglichkeiten wären wir gesellschaftlich handlungsunfähig. Dies gilt nicht erst im Zeitalter der Globalisierung. Schon 1795 schreibt Johann Schwarzkopf: "Ohne Zeitungen, wie ohne geographische Kenntnisse, würde der Mensch ein Maulwurf seyn, der dumpf in seinen Erdschollen wühlt." (Schwarzkopf 1795, S. 65)

Aktive Medienarbeit als Königsweg der Medienpädagogik

Wenn es um die Vermittlung der Grundeinsicht geht, dass es sich bei medial vermittelten Informationen immer um das Ergebnis von Selektions- und Konstruktionsprozessen handelt, gilt aktive Medienarbeit schon lange als der "Königsweg der Medienpädagogik". So verfolgte schon der französische Reformpädagoge Freinet, der in den 20er Jahren des letzen Jahrhunderts Schuldruckerei, Fotoapparat und Tonband für eine schüler- und handlungsorientierte Umgestaltung des Unterrichts einsetzte, neben der Veränderung von Unterricht medienkritische Ziele. Freinet betrachtete "den freien Text und das Drucken auch als einen Beitrag zur emanzipatorischen Medienerziehung: Kinder, die sich täglich intensiv mit eigenen Texten auseinandersetzen, die Zeitungen und Bücher herstellen und verbreiten, wußten aufgrund ihrer selbstgewonnenen Erfahrungen und Einsichten um den Prozeß der Entstehung von Geschichten und Nachrichten. Freinet verband damit die Erwartung, daß seine Schülerinnen und Schüler mit kritischerer Distanz mit dem gedruckten Wort der Massenmedien umzugehen verstanden." (Enders 1996, S.487)

Sicherlich muss man einschränkend feststellen, dass ökonomische oder auch politische Entscheidungen, die den gesellschaftlichen Medienbetrieb steuern, nicht über aktive Medienarbeit im Rahmen von Schule und Unterricht erfahrbar gemacht werden können.

Aktive Medienarbeit muss immer durch Analyse, Reflexion und die Anstrengung des Begriffs ergänzt werden.

Die Unzufriedenheit mit der ausschließlich sprachlich-analytischen und zumeist lehrerzentrierten Kritik an den Massenmedien war ein entscheidender Anstoß für das pädagogische Interesse an aktiver Medienarbeit. In der Medienpädagogik wurde die aktive Medienarbeit früher unter anderem damit begründet, dass es darum gehe, den Produktcharakter von Medien aufzudecken. Heute würde man anstatt "produzieren" und "Produkt" die Begriffe "konstruieren" und "Konstrukt" verwenden.

Die pädagogische Begründung für "Aktive Medienarbeit" reduziert sich jedoch nicht auf den Beitrag zur Medienanalyse und Medienkritik und sollte auch nicht darauf reduziert werden:

  • Aktive Medienarbeit als der produzierende und gestaltende Umgang mit Medien kommt in besonderer Weise den Forderungen nach einem Lernarrangement entgegen, durch das die Aktivität der Lernenden gefördert und strukturiert wird.
  • Die Kompetenz, sich über Medien zu artikulieren, ist eine wichtige Voraussetzung zur aktiven Beteiligung am gesellschaftlichen Willensbildungsprozeß (Herstellen von Öffentlichkeit für bestimmte Fragen und Probleme, Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit).
  • Der aktive Umgang mit Medien eröffnet Ausdrucksmöglichkeiten, die der individuellen und ästhetischen Selbstverwirklichung dienen (ästhetisch-kulturelle Praxis).
  • Aktive Medienarbeit intensiviert durch die Recherche vor Ort und die Bearbeitung der "Medienprotokolle" die Auseinandersetzung mit der Umwelt.
  • Die gemeinsame Arbeit an einem Medienprodukt bietet sich auch als inhaltlicher und formaler Rahmen für Bearbeitung von Gruppen-, Lebens-, Alltagssituationen an (sozialpädagogische Intervention).
  • Aktive Medienarbeit stellt eine besondere Form des projektorientierten bzw. produkt- und handlungsorientierten Lernens dar.

Gemeinsam ist diesen verschiedenen Ansätzen, dass sie zu einer Lernkultur passen, in der schüleraktivierenden und auf Kooperation angelegten Methoden ein hoher Stellenwert zukommt. Lernen - insbesondere wenn es um das Aushandeln von Bedeutung geht - ist an soziale Interaktion gebunden. Damit ergibt sich die Forderung, Medien nicht in erster Linie zur Informationsvermittlung einzusetzen, sondern in kooperative Lernformen einzubinden, sie als Kommunikationsangebote und -anlässe einzusetzen. Dies ist auch eine originär medienpädagogische Forderung: Mediale Botschaften sind ebenso wie ihre Rezeption das Ergebnis von Selektions- und Konstruktionsprozessen. Die Selektions- und Konstruktionsprinzipien der medialen Botschaften und der eigenen Medienrezeption lassen sich jedoch nur über dialogische Verfahren aufdecken und bearbeiten.

Dieses Sinnaushandeln setzt dialogische Prozesse voraus wie sie sich in der gemeinsamen Arbeit an einem Medienprodukt ergeben. Aktive Medienarbeit ist verbunden mit einem "Prozess des Sinnaushandelns", in dem die eigene Perspektive und die Perspektive des Kommunikats bewusst gemacht und verglichen werden müssen.

Wie schon die Erwähnung Freinets deutlich machte, hat aktive Medienarbeit in der Schule eine Tradition, die im Rahmen der Schulfotografie und Schülerfilmarbeit bis in die 20er Jahre zurückreicht. Es lassen sich Traditionslinien nachzeichnen, die z.B. auf die Kunsterzieherbewegung mit ihrer Entdeckung des "Schöpferischen" im Kinde und der Betonung der Eigentätigkeit verweisen. Andere Traditionslinien führen zur Arbeitsschulbewegung und zur Projektmethode. Was ist Medienanalyse durch aktive Medienarbeit anderes als "Learning by doing".

Das Besinnen und Aufarbeiten auf die im engeren Sinne schulpädagogische Tradition aktiver Medienarbeit macht deswegen Sinn, weil man damit unmittelbar Anschluss findet an pädagogische Leitideen und Konzepten wie "Öffnung von Schule und Unterricht" und "Erfahrungs- und Lebensweltbezug", die auch in der aktuellen Diskussion über Schulentwicklung eine Rolle spielen.

Die digitale Chance für Medienbildung - und Schulentwicklung

Aktive Medienarbeit setzt fächerübergreifende Zusammenarbeit und offenere Formen der Unterrichtsorganisation voraus. Da dies so ist, fristete aktive Medienarbeit in der herkömmlichen Schule eine Nischenexistenz. Damit ergeben sich aus der Diskussion um Schulentwicklung und veränderte Lernkultur neue Chancen für die aktive Medienarbeit - und bietet aktive Medienarbeit Chancen für die Schulentwicklung. Dies gilt insbesondere nachdem die Digitalisierung zu einer Medienkonvergenz geführt hat, d. h. die Unterscheidung zwischen alten und neuen Medien weitgehend aufgehoben ist.

Schon längst ist durch die Digitalisierung der Medien die frühere Trennung zwischen alten, sprich analogen und neuen, sprich digitalen Medien hinfällig geworden. Noch 1999 wurde in dem von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen "Handbuch Medien: Medienkompetenz" beklagt, dass in der Kinder- und Jugendarbeit das Basismedium Fotografie zugunsten neuer elektronischer Medien vernachlässigt wird, obwohl das Medium Fotografie sich hervorragend dazu eigne, die Wahrnehmung zu sensibilisieren und die Möglichkeiten bzw. Wahrnehmungsmechanismen der Bildsprache zu erkennen. (Sonnenschein 1999, S. 19)

Die Arbeit mit der traditionellen Fototechnik – falls noch vorhanden – macht medienpädagogisch durchaus Sinn, ebenso wie das Experimentieren mit Lochkameras, die nach dem Prinzip der Camera Obscura funktionieren. Wenn es aber um die angesprochenen Ziele geht, wird man heute eher zur Digitalkamera greifen. Produktorientiertes Arbeiten – wie z. B. die Erstellung einer Fotostory im Deutsch- oder Fremdsprachenunterricht - lässt sich eigentlich erst durch die Digitaltechnik zeitlich-organisatorisch in den Unterricht integrieren. Vergleichbare Ansätze mit herkömmlicher Fototechnik blieben dagegen aus den angesprochenen Gründen immer auf Ausnahmesituationen beschränkt. Erst die Digitalisierung der Medientechnik kann so die aktive Medienarbeit aus ihrem Schattendasein in den pädagogischen Nischen von Arbeitsgemeinschaften und Projektwochen befreien.

Soweit die Argumentation aus der Perspektive der Medienbildung. Nimmt man diese Diskussion aus der Perspektive der Schulentwicklung auf, dann kommt man umgekehrt zu dem Schluss, dass die Ziele von Schulentwicklung ohne die aktive Nutzung der Medien nicht zu realisieren sind.

Schulentwicklung und Medien

Die Diskussion über Schulentwicklung ist im Kern eine Diskussion über die Notwendigkeit, die Lernkultur zu verändern. Aus der Perspektive der Wissensgesellschaft, vor dem Hintergrund konstruktivistischer Lerntheorien und von den Arbeitsplatzanforderungen für "Wissensarbeiter", kommt man zu übereinstimmenden Forderungen an eine zukunftsfähige Lernkultur. Zentrale Merkmale dieser zukunftsfähigen Lernkultur sind:

  • problemorientiertes,
  • selbstgesteuertes
  • und kooperatives Lernen.

Diese Prinzipien lassen sich geradezu idealtypisch über projekt- und produktorientierte Medienarbeit realisieren. Bei dieser Einschätzung kann man sich auch auf die Kultusministerkonferenz berufen. In ihrem Beschluss aus dem Jahr 1997 zum Thema "Neue Medien und Telekommunikation im Bildungswesen" heißt es:

"Große Chancen bieten die Neuen Medien in ihrer Funktion als Hilfsmittel für die Gestaltung und Durchführung von Lehr- und Lernprozessen. Die Integration verschiedener bisher getrennter Technologien und die Ausweitung auf neue Bereiche fordern zu intensiverer und neuer Auseinandersetzung mit mediengestütztem Unterricht heraus. Dabei können pädagogisch bedeutsame Ziele wie Selbstbestimmung des Lernens, Projektorientierung, Kooperation und Teamarbeit, fächerübergreifende Arbeits- und Lernformen und bereichsübergreifendes Denken gefördert und gezielt angegangen und erfahren werden. Wechsel von Selbstlern- und Sozialphasen können die Lernmotivation steigern und die Bereitschaft zum selbständigen und lebenslangen Weiterlernen stützen." (KMK 1997, S. 1)

Dieser Zusammenhang zwischen der Lernkultur und der aktiven Nutzung der Medien wird aufgrund einer besonderen Spielart der "political correctness" im Normalfall ausgeblendet. Bevor man sich zum Nutzen neuer Medien äußert, warnt man vor der "Technikfalle" (vgl. Moser 2001). Die gängige Formel für diese Warnung lautet: Neue Medien führen nicht automatisch zu einer neuen Lernkultur. Diese an sich richtige Feststellung wird durch ihre Einseitigkeit falsch. Didaktische Konzepte haben nur eine Chance im Unterrichtsalltag realisiert zu werden, wenn Medien zur Verfügung stehen, die ihre Realisierung ermöglichen.

Diese Feststellung ist so trivial, dass es selbstverständlich sein müsste, bei der Diskussion über die Qualität von Lehr- und Lernprozessen auch über Qualität und Quantität der zu ihrer Realisierung notwendigen Medienausstattung nachzudenken. Medien legen die Möglichkeiten des Zugriffs auf Informationen und die Bearbeitungsmöglichkeiten fest und bestimmen damit ganz wesentlich das Schüler-Lehrer-Verhältnis und die Qualität des Unterrichtsgeschehens. Werden Beispiele für die gelungene Verbindung von digitalen Medien und Neuem Lernen vorgestellt, wird die Rolle der Medien entsprechend der pädagogisch korrekten Fokussierung auf das Primat der Didaktik mit dem Hinweis relativiert, dass vergleichbare Lernarrangements auch ohne die Neuen Medien bereits realisiert wurden und werden.

Übersehen wird hierbei, dass mediale Innovationen im schulischen Bereich oftmals unauffälliger sind, als es medientheoretische Diskussionen vermuten lassen. Wenn im Zusammenhang von Schule und Unterricht den neuen Medien eine innovative Funktion zugeschrieben wird, muss man sich nicht auf die Suche nach dem absolut Neuen begeben. Neu und innovativ ist schon, dass Schülerinnen und Schüler zur Überarbeitung ihrer Texte leichter zu motivieren sind, weil nicht immer alles per Hand neu geschrieben werden muss. Neu und innovativ ist ebenso, dass intensive Arbeit an einem Text in Partner- oder Kleingruppenarbeit durch die Sichtbarkeit der jeweils aktuellen Textversion am Bildschirm erheblich erleichtert wird.

Für Schule spielt an den Neuen Medien nicht nur das absolut Neue eine Rolle. Für den Unterrichtsalltag kann die Frage wichtiger sein, was durch Neue Medien technisch, organisatorisch und finanziell leichter zu realisieren ist, selbst wenn diese Möglichkeiten medientechnisch prinzipiell schon vorher gegeben waren.

Fachdidaktiken, Medienarbeit und Lernkultur

Die Leistungen handlungs- und produktorientierter Medienarbeit für die Realisierung einer zukunftsorientierten Lernkultur, d. h. für Schulentwicklung, zeigt sich auch wenn man sich dem Thema aus der Perspektive der Fachdidaktiken nähert. Um dies zu verdeutlichen hier einige Verweise auf das Fach Deutsch, dem sicherlich im Zusammenhang einer veränderten Lernkultur und Fragen der Medienbildung nicht allein aufgrund seines Anteils an der Stundentafel eine Leitfachfunktion zukommt.

Konzepte einer handlungs- und produktorientierten Literaturdidaktik passen in den allgemeinen Paradigmenwechsel von der Lehr- zur Lernkultur, sind aber an sich nicht neu und haben per se ebenso wenig mit dem Computer und Internet zu tun wie z. B. die im Rahmen dieser Konzepte entwickelten methodischen Vorschläge zum produktiven Verstehen durch kreative Schreib- und Gestaltungsprozesse.

Allerdings bietet sich der Computer für die methodische Umsetzung der Konzepte einer handlungs- und produktorientierten Literaturdidaktik nicht nur an, sondern erweitert auch die methodischen Möglichkeiten. Bei den Nutzungsmöglichkeiten der Computertechnologie für das kreative Schreiben und den produktiv-ästhetischen Umgang mit Literatur wäre grundsätzlich zu unterscheiden, zwischen den Verfahren, bei denen der Computer den Arbeitsprozess wesentlich erleichtert, und den Ausdrucksformen und Verfahren, die im Prinzip erst durch den Computer ermöglicht werden.

Erleichtert und vereinfacht werden z. B. bei den angesprochenen kreativen Schreib- und Gestaltungsprozessen alle Verfahren, bei denen es - wie beim Experimentieren mit Visueller Poesie - um das Darstellen und Gestalten von Wort- und Textbilder geht. Daneben werden durch die Bewegung von Texten und Bildern neue Ausdrucksformen im produktiven Umgang mit Literatur ermöglicht, wie es sich am schrittweisen Aufbau von Textbilder zeigt, der durch die Folienabfolge bei Präsentationsprogrammen ermöglicht wird. (Kunkel 2003, S. 9 f)

Wie sich die Praktikabilität produktorientierter Verfahren durch die Verfügbarkeit digitaler Medien qualitativ verändert, zeigt sich u. a. ganz deutlich an der wachsenden Zahl von Projekten, in denen es um die Umsetzung eines Themas in einen Fotoroman, Fotocomic usw. geht. Ein anderes Beispiel für diese Entwicklung ist die Erschließung und Bearbeitung literarischer Themen über Hypertextprojekte.

Veränderung im Bereich der Textwelt und im Umgang mit Texten

Ohne Computer musste man sich in der Schule mit Fragen der Textgestalt vor allem analytisch auseinandersetzen. Durch die Möglichkeiten der Textverarbeitung und Layoutgestaltung, die das Schreibwerkzeug Computer bietet, kann das "Über-den-Text-Reden" hinter das "Selbermachen" zurücktreten. Bei der Entscheidung über die typografische Gestaltung eines Textes können mit den Schülerinnen und Schülern Verfahren der Medienanalyse an relativ einfachen und überschaubaren Kommunikaten eingeübt werden. In einer Kommunikationskultur, in der die visuelle Komponente der Printmedien, wie z. B. das "Design von Zeitungen", immer wichtiger werden, sind Kenntnisse und Fertigkeiten in diesem Bereich wichtige Bestandteile von Medienkompetenz. Damit berührt man einen weiteren Bereich, in dem die Nutzung von Computer und Internet fachdidaktisch notwendig werden.

Kennzeichen der modernen Textwelten sind neben dem Hypertextprinzip die Multimedialisierung kommunikativer Gesamteinheiten. Mit der seit der PISA-Studie immer wieder angesprochenen Unterscheidung zwischen linearen und nicht-linearen Texten ist nur ein Aspekt der Multimedialisierung angesprochen. Die medientechnologische Entwicklung führt zu einer Fülle komplexer Textsorten, in denen Bild und Text unterschiedlichste Verbindungen eingehen: "Die Neuen Technologien ermöglichen es, sich im Deutschunterricht durch die Einbeziehung authentischer Textsorten mit den Veränderungen der Kommunikationskultur handlungsorientiert und reflektierend und analysierend auseinanderzusetzen." (Adamzik/Neuland 2005, S. 7)

Audiovisueller Gesamttext
Visueller Text Auditiver Text
Bildtext Worttext Tontext
Schrift Sprache
Realbild Generiertes Bild Alphanum. Bild Gesprochenes Wort Musik Geräusch
Brenner 2001, S.21

Handlungsorientierter Unterricht, in dem es zu einer stärkeren Einbeziehung authentischer Textsorten kommt, öffnet Schule für die Textwelten, mit denen Schülerinnen und Schüler es außerhalb von Schule zu tun haben, und leistet damit einen Beitrag zur Medienbildung, denn Textsorten sind "gesellschaftlich entwickelte Lösungen zur Bewältigung wiederkehrender Kommunikationsaufgaben". Im Unterricht sollte es darum gehen, "Schreib- und Leseaufgaben zunehmend in umfassende Handlungskontexte einzubetten, die die Lektüre und Produktion konkreter Textsorten motivieren. Neben dem analytischen Zugriff wird so die Bedeutung von Textsorten als Mittel der Kommunikation und Wissensvermittlung unmittelbar erfahrbar." (Becker-Mrotzek 2005, S. 77)

Diese Vorstellungen stehen durchaus im Einklang mit den Bildungsstandards für das Fach Deutsch wie sich u. a. an den Ausführungen zum Stichwort "Präsentation" zeigen lässt:

  • "verschiedene Medien für die Darstellung von Sachverhalten nutzen (Präsentationstechniken): z.B. Tafel, Folie, Plakat, Moderationskarten." (S. 13)
  • "Textverarbeitungsprogramme und ihre Möglichkeiten nutzen: z.B. Formatierung, Präsentation" (S. 14)
  • "Medien zur Präsentation und ästhetischen Produktion nutzen." (S. 17)

Dass es ein fachdidaktisches Interesse an Vermittlung von Medienbildung gibt, trifft nicht nur auf den Deutschunterricht zu. Dies lässt unter Bezug auf die Bildungsstandards sehr schnell exemplarisch am Fach Biologie zeigen. Hier wird mit den Standards für Kommunikation ein Kompetenzbereich konkret ausgewiesen, der eindeutig der Medienbildung zuzuordnen ist.

Zum Kompetenzbereich Kommunikation heißt es: "Zum Kommunizieren im Fach Biologie werden Texte und Bilder als Informationsmittel (Codes) verwendet, wie etwa Grafiken, Tabellen, fachliche Symbole, Formeln, Gleichungen und Graphen. Schülerinnen und Schüler erfassen die Codes, beziehen sie aufeinander und verarbeiten sie. Diese Fähigkeiten sind wesentlicher Bestandteil von Lesekompetenz. Der schlüssigen und strukturierten sprachlichen Darstellung kommt eine besondere Bedeutung zu... Darüber hinaus nutzen die Lernenden die praktischen Methoden und Verfahren der Erkenntnisgewinnung als Informationsquellen, hinzu kommen Medien wie Buch, Zeitschrift, Film, Internet, Datenverarbeitungsprogramm, Animation, Simulationen und Spiele sowie die Befragung von Experten. Wenn Schülerinnen und Schüler diese Quellen zielgerichtet nutzen, verfügen sie über eine ausgeprägte Kommunikationskompetenz." (Bildungsstandards Biologie, S. 11)

Zur Versöhnung von Mediendidaktik und Medienpädaogik im Zeichen digitaler Medien

Ein Blick auf diese gesellschaftlichen Anforderungen zeigt, dass eine zukunftsorientierte Schulentwicklung ohne die systematische Integration von Multimedia und Internet in Lehr- und Lernprozesse nicht denkbar ist. Umgekehrt kann der pädagogische "Mehrwert" der neuen Medien nur über Schulentwicklung, d.h. über Veränderungen in der Unterrichtsgestaltung, im Rollenverständnis von Lehrkräften, in den curricularen und schulorganisatorischen Rahmenbedingungen realisiert werden.

Stehen multimediafähige Computer und Programme mit Verarbeitungsroutinen für Text und Ton, Standbilder und Videosequenzen zur Verfügung, kann handelnder Umgang mit Informationen, aktive Medienarbeit im weitesten Sinne, in alle Unterrichtsfächer integriert werden.

Welche Möglichkeiten sich durch Multimedia ergeben, aktive Medienarbeit im Dienste einer neuen Lernkultur in die Normalität des Unterrichts einzubeziehen, zeichnet sich in dem folgenden Zitat aus dem Gutachten der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung über die "Systematische Einbeziehung von Medien, Informations- und Kommunikationstechnologien in Lehr- und Lernprozesse" ab: "Die kooperative Bearbeitung multimedialer Programme etwa regt dazu an, daß die Lernenden sich gemeinsam Wissen zu einem bestimmten Bereich erarbeiten. Zentral dafür ist, daß die Lernenden in "Lerngemeinschaften" Produkte (z.B. Texte, Animationen) erstellen und Information eben nicht nur rezipiert, sondern produziert und auch gegenseitig kritisiert wird.." (Mandl u.a. 1998, S.23)

Bei diesem Ansatz ergibt sich eine Deckungsgleichheit zwischen allgemein didaktischen Prinzipien und medienpädagogischen Zielvorstellungen. In dieser produktiven Aneignungen von Wissen würden gleichzeitig Auswahl-, Interpretations- und Gestaltungsprozesse durchlaufen, wie sie im Prinzip für alle Medien Geltung haben. Im eigenen Vollzug würde deutlich, dass es sich bei medialen Botschaften immer um Konstrukte handelt.

Chancen aktiver Medienarbeit im Zeichen der digitalen Medien

Die Arbeit an Multimediapräsentationen macht bisherige Formen der aktiven Medienarbeit nicht überflüssig, sondern führt ganz offensichtlich - wie es Multicodalität und Multimodalität als Bestimmungsmerkmale von Multimedia nahe legen - zu einer Integration unterschiedlichster Medien und Medienaktivitäten.

Ob Videos, Fotografien, Zeichnungen, Sprache, Töne oder Musik alles kann in multimediale Präsentationen integriert werden. Alles kann überarbeitet und mit einander kombiniert werden. Mit Hilfe von (digitaler oder analoger) Foto- und Videokamera, über einen Scanner, durch Sound-, Grafik- und Videokarte sowie der entsprechenden Software lassen sich die vielfältigsten Informationsarten integrieren und verarbeiten.

Aktive Medienarbeit befördert nur dann Medienkompetenz, wenn an die Multimediapräsentation oder die Videocollage und Wandzeitung, ebenso selbstverständlich qualitative Ansprüche formuliert werden wie z. B: an eine Inhaltsangabe oder den mündlichen Vortrag eines Gedichts und das Medienprodukt an den Anforderungen des Kommunikationsprozesses und den Möglichkeiten des Mediums gemessen werden.

Ein wichtiger Schritt hierzu wäre, dass Textsorten in ihrer Funktion als "gesellschaftlich entwickelte Lösungen zur Bewältigung wiederkehrender Kommunikationsaufgaben" ernst genommen werden. Zumeist stößt man jedoch in entsprechenden Aufgabenstellungen auf einen ausgesprochen unpräzisen Umgang mit Begriffen wie Steckbrief, Wandzeitung oder Plakat. Mit der Forderung, die Arbeitsergebnisse auf einem Plakat festzuhalten, verbindet sich in den meisten Fällen offensichtlich nicht mehr als die Vorgabe der Papiergröße. Würde man dagegen festlegen, ob es sich tatsächlich um Plakat oder aber vielleicht um die Visualisierung der Arbeitsergebnisse in einem Schaubild geht, wären damit nicht nur eine Präzisierung der Anforderungen an das Produkt, sondern auch der bei der Erstellung des Produkt zu erbringende kognitiven Leistungen verbunden (Anmerkung: Vgl. u. a. die Kurzbeschreibung von Textsorten wie Plakat und Flugblatt im Werkstattbereich des Schülerwettbewerbs des Landtags von Baden-Württemberg zur Förderung der politischen Bildung: http://www.schuelerwettbewerb-bw.de/pub_erfahrungen.htm).

Ausblick: Ausdifferenzierung statt Verdrängung

Zum Schluss für diejenigen, die trotz der vielen pädagogischen Möglichkeiten, die durch die Digitalisierung der Medien eröffnet werden, ein bisschen nostalgisch den alten, analogen Medien nachtrauern. Wenn man Stummfilm und das vor kurzem, den Medientod gestorbene Telegramm ausnimmt, zeigt die Mediengeschichte, dass die neuen Medien die alten Medien nicht total verdrängen. Durch die Medienentwicklung erhalten die alten Medien nur einen anderen Stellenwert, erhalten sie zum Teil sogar eine neue herausgehobene Bedeutung. So eröffnet SMS ungeahnte Flirtmöglichkeiten auch in diesbezüglichen eher konservativen Gesellschaften, von denen eine Effi Briest nur träumen konnte. Andererseits gewinnt aber im Zeichen des Laptops und der perfekten Formatierung von Schriftstücken aller Art der klassische Füllfederhalter und handgeschriebene Brief gesellschaftlich einen besonderen Stellenwert. Wer die Differenz zwischen den medialen Möglichkeiten produktiv nutzen will, sollte also auch über eine schöne Handschrift verfügen.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man feststellen:

  • Der Paradigmenwechsel von der Wissensvermittlung zur Wissensaneignung erfordert aktives Erarbeiten und Bearbeiten von Informationen.
  • Die Verfügbarkeit von digitalen Medien unterstützt Prozesse der aktiven Wissensaneignung.
  • Effektive Lernprozesse erfordern und befördern Lese- und Schreibkompetenzen im Sinne eines erweiterten Textbegriffs.
  • Die im Unterricht verwendeten Medien/Textsorten müssen als Gegenstand der Medienbildung fachdidaktisch ernst genommen werden.

Damit ergibt sich die Chance, fächer- und jahrgangsübergreifend an der Vermittlung von Medienkompetenz zu arbeiten. Dies wäre eine notwendige und sinnvolle Ergänzung bzw. auch Vorbereitung auf spezifische Angebote zur Medienbildung im Rahmen des Kurssystems. Dass daneben solche spezifischen Angebote notwendig sind, wenn man sich systematisch und vertiefend mit dem Thema "Medien und Gesellschaft" auseinandersetzen will, steht außer Frage.

Literatur

Adamzik, Kirsten; Neuland, Eva: Zur Linguistik und Didaktik von Textsorten, in: Der Deutschunterricht 1/2005, S. 2 - 11

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Mit freundlicher Genehmigung des Autors