Wolfgang Schill, Gerhard Tulodziecki, Wolf-Rüdiger Wagner - Medienpädagogisches Handeln in der Schule in den Zeiten von "PISA"

Seit ihrem Erscheinen Anfang Dezember 2001 hat die sogenannte PISA-Studie 2000 ("Programme for International Student Assessment 2000") eine heftige Debatte in der deutschen Bildungslandschaft ausgelöst. Die in der Folgezeit veröffentlichten Kommentare, Meinungen und Vorschläge, lassen sich unter Aufmachern wie "Schock und Katastrophe", "gegenseitige Vorhaltungen für eine verfehlte Bildungs- und Schulpolitik ", "Schul- und Lehrerschelte" oder "Eine neue Schule braucht das Land!" fassen und spiegeln gleichsam verschiedene Stadien der öffentlichen Diskussion der letzten Monate wieder. Was hat diese Studie über die Lesekompetenz sowie die mathematische und die naturwissenschaftliche Grundbildung der 15-Jährigen in 32 OECD- Teilnehmerstaaten in ihrem Kern gezeigt?

Deutsche Schüler(innen) müssen sich, was diese Kompetenzbereiche betrifft, im internationalen Vergleich im Durchschnitt mit hinteren Rängen begnügen. Ein Befund, der vor allem denen zu denken gibt, die Kinder und Jugendliche, "fit für das Leben in der Informations- und Wissensgesellschaft machen" wollen.

Zum Textbegriff

Für Medienpädagoginnen und -pädagogen, die (aus semiotischer Sicht) mit einem erweiterten Textbegriff arbeiten und unter einem Text (das Zusammengefügte) jede zeichenhafte und bedeutungstragende sprachliche oder nicht sprachliche Äußerung (z.B. ein audiovisuelles Symbolsystem wie den Film) verstehen, stellt sich in diesem Zusammenhang besonders folgende Frage: "Welche Texte hatten die 15-Jährigen zu bearbeiten und was versteht PISA unter Lesekompetenz?"

Als erstes ist festzuhalten, dass auch in der PISA-Studie von einem erweiterten Textbegriff ausgegangen wird. Für den "verstehenden Umgang mit Texten" wurden den Schüler(innen) neben "kontinuierlichen Texten" wie Beschreibungen, Erzählungen oder Anweisungen auch "nicht-kontinuierliche Texte" wie Diagramme, Tabellen oder Karten zur Bearbeitung vorgelegt. Die "Leseaufgaben" bilden also nicht einfach Deutsch-Lehrpläne ab, sondern greifen auch den kompetenten Umgang mit Sachtexten auf, wie er beispielsweise in Unterrichtsfächern wie Biologie und Erdkunde erwartet wird. Mit diesem Textbegriff trägt die PISA-Studie einer medialen Realität Rechnung, in der sich nicht nur bei Sach- und Gebrauchstexten, die unterschiedlichsten Textsorten mischen.

Allerdings bleiben Textsorten wie Filme und animierte Grafiken ausgespart, obwohl diese Textsorten auch bei Sach- und Gebrauchstexten eine wichtige Rolle spielen. Da diese Eingrenzung auf nicht -dynamische Textsorten angesprochen, aber nicht begründet wird, kann nur vermutet werden, ob hierfür die Schwierigkeiten einer entsprechenden Testkonstruktion die Ursache war, oder ob es sich letztlich doch nur um eine "halbherzige" Erweiterung des Textbegriffs handelt.

"Die große Bandbreite von literarischen Genres und Texten (Lang- und Kurzprosa, Dramatik, Hörspiel, Lyrik, Lieder, z.T. auch mediale Texte, Filme, Trivialliteratur und Jugendliteratur) wird im PISA-Test nicht abgebildet." (Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.): PISA 2000, Opladen 2001, S. 98

Zur Lesekompetenz

Laut PISA ist Lesekompetenz mehr als einfach nur lesen zu können. Vielmehr versteht PISA darunter die Fähigkeit, "geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen und in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene Zwecke, sachgerecht zu nutzen. Nach diesem Verständnis ist Lesekompetenz nicht nur ein wichtiges Hilfsmittel für das Erreichen persönlicher Ziele, sondern eine Bedingung für die Weiterentwicklung des eigenen Wissens und der eigenen Fähigkeiten - also jede Art selbständigen Lernens - und eine Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben."

Drei Dimensionen der Lesekompetenz Jugendlicher wurden untersucht: - Sind die 15-Jährigen fähig, Informationen zu ermitteln? - Können sie textbezogen interpretieren? - Gelingt es ihnen, das Gelesene zu reflektieren und zu bewerten?

Die im Test erzielten Leistungen wurden wiederum fünf Kompetenzstufen zugeordnet. Wobei es beispielsweise Jugendlichen auf der Stufe V gelang, sich aus unbekannten und vielschichtigen Texten Informationen zu erschließen und Hypothesen kritisch zu bewerten. Wer dagegen über die Kompetenzstufe I nicht hinauskam, hatte lediglich den Hauptgedanken eines Textes über ein bereits bekanntes Thema begriffen und war in der Lage konkreten Hinweisen auf einfache Verbindungen zwischen gelesenen Informationen und Alltagswissen zu folgen.

Zu den Befunden der PISA-Studie

Was nun die Befunde von PISA zur Lesekompetenz 15-jähriger deutscher Schüler(innen) im internationalen Vergleich betrifft, wird folgendes Fazit gezogen:

Die Lesekompetenz der Jugendlichen ist unterdurchschnittlich. Sie liegt zwischen den Stufen II und III. Die Werte deutscher 15-Jähriger sind schlechter als das OECD-Mittel. - Etwa 20 Prozent des Altersjahrganges erreichen gerade oder nicht einmal die Kompetenzstufe I. Vor allem beim Reflektieren und Bewerten fallen die Leistungen ab. Der Anteil von Jugendlichen mit sehr schwacher Leseleistung ist vergleichsweise hoch. - Und schließlich zeigt sich beim internationalen Vergleich, dass die Jugendlichen in keinem anderen Land so wenig Vergnügen am Lesen haben wie in Deutschland.

Das niedrige Lesekompetenz-Niveau der deutschen Schüler(innen) veranlasst die PISA-Autoren im Hinblick auf die Förderung von Lesekompetenz über Konsequenzen und Interventionsmöglichkeiten nachzudenken. Dabei werden zwei pädagogisch-didaktische Ansatzpunkte gesehen, die auch für medienpädagogisches Handeln in der Schule bedeutsam sein dürften: - Erstens soll es um die Verbesserung des Textverstehens durch Vermittlung von Textverarbeitungsstrategien gehen und - zweitens soll das Leseinteresse von Kindern und Jugendlichen entwickelt werden.

Zur Bedeutung von Leselust und Literatur

In Deutschland korreliert Lesekompetenz hoch mit Leselust. Wer Lesekompetenz zeigt, liest also mit hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb der Schule. Auf den ersten Blick erscheint diese Feststellung trivial. Doch erst der internationale Vergleich zeigt, dass diese hohe Korrelation durchaus nicht so selbstverständlich ist, wie es scheint. Vielmehr ist dies offensichtlich ein Indiz dafür, dass Lesekompetenz in deutschen Schulen nicht systematisch und kontinuierlich vermittelt wird. Lesekompetenz erwirbt man in Deutschland also quasi nur naturwüchsig dadurch, dass man außerhalb der Schule gerne und viel liest.

Die PISA-Studie unterscheidet zwischen dem Lesen von Sach- und Gebrauchstexten, das der "Wissensanreicherung" dient, und dem Lesen von "Literatur", das "Möglichkeiten der Lebensbewältigung, des ästhetischen Erlebens, der Befriedigung von Unterhaltungsbedürfnissen und der Persönlichkeitsentfaltung" bietet. (S.69)

Alle literaturpädagogischen Konzepte müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass sich die literarische Erlebnisfähigkeit von Kindern an den frühen Erfahrungen mit auditiven und audiovisuellen Medien herausbildet und dass die von der PISA-Studie für Literatur im klassischen Sinne reklamierten Funktionen im heutigen Medienalltag vorrangig von anderen Medien übernommen werden. Beide Entwicklungen sprechen dafür, dass literarische Lesekompetenz nur in einem integrierten Konzept von Lese- und Medienkompetenz vermittelt werden kann.

Zur Rolle der Medienpädagogik in Schule

Geht man im Sinn integrativer Medienpädagogik davon aus, dass Lesekompetenz im weiterem Sinne nicht nur den verstehenden Umgang mit schriftsprachlichen Texten, sondern auch mit medialen Texten aller Art meint, wären so früh wie möglich die Grundlagen für eine komplementär aufeinander bezogene Vermittlung von Lesekompetenz (in engerem Sinne) und Medienkompetenz zu schaffen.

Schon bevor Kinder in die Schule kommen, machen sie Medienerfahrungen aller Art (vor allem mit dem Fernsehen, aber auch mit Bilderbüchern, Hörspiel- und Musikkassetten, Radio, Computerspielen und Videofilmen), die sowohl vielfältige "Spiele mit Wirklichkeit und Phantasie" einschließen als auch den eigensinnigen Umgang mit medial vermittelter Information ermöglichen. Dabei spielt die Lese- und Medienkultur von Familien insofern eine wichtige Rolle, als sie bei Kindern zur (un)günstigen Entwicklung ihrer Lese- und Medienkompetenz beitragen kann. Wenn Kinder in die Schule kommen, hat die Entwicklung und Förderung des Lesens von schriftsprachlichen Texten zunächst einen zentralen Stellenwert. Im Gegensatz zum scheinbar "leichten Erlesen" von Film- oder Fernsehtexten, muss das Lesen geschriebener und gedruckter Texte von Kindern systematisch und kontinuierlich gelernt werden. Moderne Konzepte des Schriftspracherwerbs verbinden Lesen und Schreiben heute von Anbeginn miteinander. Texte entstehen durch Schreiben und erhalten ihren Sinn nur dann, wenn sie gelesen werden. Deshalb erfordert der Umgang mit Texten auch immer das Lesen und Schreiben als (Re-)Konstruktionsprozesse. In diesem Zusammenhang trägt medienpädagogisches Handeln dazu bei, dass Kinder neue und fördernde (Medien-) Erfahrungen machen können. Exemplarisch wird dies bei der Nutzung des (neuen) Mediums Computer erkennbar, wenn Kinder sich mit Hilfe der Computertastatur der Schriftzeichen bemächtigen, eigene Schreibziele verfolgen und die geschriebene Sprache als ein Mittel entdecken, sowohl um sich selbst auszudrücken, als auch anderen etwas über "die Sachen dieser Welt" mitzuteilen. Werden dabei zum Beispiel eigene Zeichnungen, Bilder oder schematische Darstellungen in die schriftsprachlichenTexte eingebunden, - können Kinder - ganz im Sinne der PISA-Autoren - nicht-kontinuierliche Texte mit Hilfe des Computers produzieren und - können Kinder erfahrungsnah "entdecken", welche besonderen und innovativen Möglichkeiten des Schreibens, Lesens, Gestaltens und Veröffentlichens dieses Medium in sich trägt.

Beim komplexen Prozess des Lesens und Schreibens werden auch wesentliche Fähigkeiten für den kompetenten Umgang mit medialen Texten entwickelt und gefördert, wie zum Beispiel Begriffsbildung oder die Konstruktion von Vorstellungen und gedanklichen Zusammenhängen. Dem Entwicklungsstand von Kindern entsprechend empfiehlt es sich somit, auch mediale Texte sinnvoll und funktional in "Lese-Schreib-Situationen" einzubeziehen, um Anlässe zum Sprechen, zum (vergleichenden) Lesen, (Recht-)Schreiben, Texte verfassen, Spielen oder Gestalten zu schaffen. Bei solchen Lernprozessen, die für alle Lernbereiche und Fächer inszeniert werden können, kann das gesamte Ensemble technischer Medien inclusive Multimedia und Internet einbezogen werden. Auf diese Weise lassen sich auch die besonderen "Sprachen" von Medien vermitteln und untersuchen. Dabei können Rezeptionsstrategien eine Rolle spielen, die für effektives Lesen bedeutsam sind, wie beispielsweise: - das Herstellen einer guten Lernatmosphäre, - das gezielte Rezipieren eines Mediums, - das bewusste Wiedergeben des Rezipierten ( in eigenen Worten, Bildern, Grafiken, Mindmaps), - das Verarbeiten des Stoffes (durch Bewertung und Kritik, Verknüpfung mit anderen Wissensgebieten), - die Wissenserweiterung durch Selbstbefragung (Wie nützlich ist der Stoff für die eigene Lebenspraxis?) und - die Überprüfung des Gelernten (Was habe ich behalten?)

In diesem Rahmen empfiehlt es sich, Wert auf die Entwicklung einer eigenen schulischen "Medienwelt" zu legen, die sämtliche Bereiche des Schullebens umfasst. Beispielsweise können "Medienwerkstätten" in einer Klasse/Schule eingerichtet werden, - die Kindern und Jugendlichen sowohl günstige Rahmenbedingungen für den selbstbestimmten Zugriff auf schriftsprachliche wie auf mediale Texte aller Art ermöglichen ( zum Beispiel Kinderliteratur, Sachbücher, Zeitungen, CD-ROM-Angebote, Hörspielkassetten, Kinderfilme), - ihnen auf funktionale Weise vermitteln, in welcher Weise Beziehungen zischen den verschiedenen Textarten bestehen und wie sie sich voneinander unterscheiden (zum Beispiel "Harry Potter" als Buch, Film, Hörkassette) und - sie zum Produzieren "eigener Texte" ( zum Beispiel Erzählungen, Berichte, Reportagen, Hörspiele, Video-Stücke, Internet-Auftritte) herausfordern.

Die drei von PISA unterschiedenen Aspekte der Lesekompetenz - Informationen ermitteln - Textbezogenes Interpretieren - Reflektieren und Bewerten müssen, was den realen Medienalltag betrifft, auf den Umgang mit medialen Texten aller Art übertragen werden. Sie entsprechen weitgehend dem traditionellen Verständnis von Medienanalyse- und -kritik, wie es sich beispielsweise schon seit Jahrzehnten im Sinne einer notwendigen Medienbildung in Zielen, Inhalten und Arbeitsverfahren der Schulfächer Deutsch, Kunst und Sozialkunde/Politik findet. Im Sinne einer integrativen Medienpädagogik sind diese Ansätze aufzunehmen und um folgende pragmatischen Aspekte zu erweitern: · Einflüsse und Wirkungen von medialen Texten erkennen und aufarbeiten sowie · mediale Texte aller Art herstellen, um sich an öffentlicher Kommunikation zu beteiligen und um gesellschaftliche Wirklichkeit produktiv mitzugestalten.

Anforderungen an Lernen und Lehren in einer von medialer Vielfalt und Informationsfülle gekennzeichneten Umwelt

Eine Umsetzung der obigen Forderungen kann im Rahmen von Lern- und Lehrprozessen erfolgen, bei denen Texte in unterschiedlicher medialer Form unter verschiedenen Fragestellungen bearbeitet werden müssen. Dabei sind generelle Anforderungen an Lernen und Lehren in einer von medialer Vielfalt und Informationsfülle gekennzeichneten Umwelt zu beachten.

Solche Forderungen sind (vgl. Tulodziecki, G.: Medien in Erziehung und Bildung. Bad Heilbrunn 1997):

  1. Lernen und Lehren sollen jeweils von einer - für die Lernenden bedeutsamen - Aufgabe ausgehen. Solche Aufgaben können Probleme, Entscheidungsfälle, Gestaltungs- und Beurteilungsaufgaben sein.
  2. Lernen und Lehren sollen darauf gerichtet sein, vorhandene Kenntnisse oder Fertigkeiten zu einem Themengebiet zu aktivieren und - von dort ausgehend - eine Ordnung, Korrektur, Erweiterung, Ausdifferenzierung oder Integration von Kenntnissen und Vorstellungen zu erreichen.
  3. Lehren soll eine selbständige und kooperative Auseinandersetzung der Lernenden mit einer Aufgabe ermöglichen, indem - auf der Basis geeigneter Informationen bzw. Texte - selbständig Lösungswege entwickelt und erprobt werden.
  4. Lehren soll den Vergleich unterschiedlicher Lösungen ermöglichen sowie eine Systematisierung und Anwendung angemessener Kenntnisse und Vorgehensweisen sowie deren Weiterführung und Reflexion.

Damit wird der Auseinandersetzung mit bedeutsamen Problemen, Entscheidungsfällen, Gestaltungs- und Beurteilungsaufgaben ein besonderer Stellenwert beigemessen. Entsprechende Aufgaben können fachbezogen oder in disziplinübergreifender Weise bearbeitet werden:

  • Ein Problem ist z.B. dann gegeben, wenn eine Familie, in der bisher viel Fastfood gegessen wurde, beschließt, ihre Ernährungsgewohnheiten ohne Verlust an Essensgenuss zu verbessern. Das Problem kann darin bestehen, Regeln für eine gesunde Ernährung zu entwickeln. Texte aus Zeitschriften, Sachbüchern und Internet können als Informationsquellen genutzt und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Problemlösung bewertet werden. Ein Rechen- oder Kalkulationsprogramm kann helfen, die Kalorienwerte für ein Frühstück oder andere Mahlzeiten zu berechnen.
  • Ein Entscheidungsfall kann z.B. so eingeführt werden, dass sich die Lernenden in die Situation einer Regierungskommission in einem Staat versetzen sollen, dessen soziale, politische und ökologische Lage relativ desolat ist. Aufgabe ist es, Entscheidungen zu fällen, z.B. zu notwendigen staatlichen Maßnahmen, die den Zustand des Staats möglichst verbessern sollen. Dazu ist es zunächst notwendig, aus geeigneten Texten Informationen zu relevanten Faktoren und zu ihren Zusammenhängen zu erarbeiten und im Hinblick auf die Entscheidungsfindung zu bewerten. Als Entscheidungshilfe kann unter Umständen ein Simulationsprogramm genutzt werden.
  • Eine Gestaltungsaufgabe liegt z.B. vor, wenn sich eine Gruppe von Lernenden entschließt, eine multimediale Homepage zu produzieren. Vorliegende Homepages können dafür zunächst als Gegenstand der Analyse und als Anregung dienen, ehe eine eigene Homepage erstellt wird. Zugleich muss die Frage des möglichen formalen Aufbaus und der Struktur von Internetseiten und ihrer Verknüpfung mit Hilfe geeigneter Texte bearbeitet werden. Dabei geht es zugleich darum, die jeweiligen Information in ihrem Stellenwert für eine angemessene Gestaltung der eigenen Homepage zu bewerten.
  • Eine Beurteilungsaufgabe kann z.B. darin bestehen, dass die Lernenden zunächst in einem bestimmten Berufsbereich, z.B. der Touristikbranche, Aufgaben in Form der Telearbeit simulieren bzw. ausführen, z.B. - auf der Basis von Recherchen im Internet - die Zusammenstellung einer interessanten und individuellen Reiseroute für einen Manager, der eine Dienstreise mit einer touristischen Aktivität verbinden möchte. Eine anschließende Aufgabe könnte darin bestehen, weitere Anwendungsfelder für Telearbeit zu erkunden, Texte bzw. Positionspapiere dazu auszuwerten und auf dieser Basis die Telearbeit in ihrer Bedeutung für Individuum und Gesellschaft zu reflektieren bzw. zu beurteilen. Aufgaben dieser Art können nur gelöst werden, wenn es gelingt, die jeweilige Informationen in den zu bearbeitenden Texten angemessen zu verstehen, die Informationsfülle unter spezifischen Aspekten der Aufgabenstellung zu strukturieren und für die Aufgabenlösung nutzbar zu machen. Fähigkeiten zur gezielten Informationssuche, Informationsauswahl, Informationsverarbeitung und Informationsbewertung auf der Basis von Texten im Sinne von Lese- und Medienkompetenz können ausgebildet werden.

Mit der Forderung nach einem problem-, entscheidungs-, gestaltungs- und beurteilungsorientierten Vorgehens ist zugleich die Annahme verbunden, dass so - unter Beachtung von Bedürfnissen und Lebenssituationen - ein angemessener Kenntnis- und Erfahrungsstand bei gleichzeitiger Forderung des intellektuellen und sozial-moralischen Entwicklungsniveaus erreicht werden kann. Ein entsprechendes Vorgehen würde nicht nur der Lese- und Medienkompetenz dienlich sein, sondern auch für den Bereich der Mathematik und der Naturwissenschaften ein anwendungsbezogenes Wissen sichern, wie es in der PISA-Studie geprüft und gefordert wird. Dabei sind Fähigkeitsbereiche angesprochen, die für die Bildung in einer durch Medien und Informationsfülle gekennzeichneten Zeit besonders bedeutsam sind, und zwar Problemlösefähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Gestaltungsfähigkeit und Urteilsfähigkeit. Entsprechende Fähigkeiten können zugleich als Voraussetzungen für ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozial-verantwortliches Handeln angesehen werden, wie es in der Medienpädagogik (vgl. z.B. Tulodziecki, G.: Medienerziehung in Schule und Unterricht. Bad Heilbrunn 1992) und im Orientierungsrahmen der BLK für die Medienerziehung schon lange gefordert wird (vgl. BLK: Medienerziehung. Bonn 1995). Dabei kann Problemlösefähigkeit auf sachgerechtes Handeln, Entscheidungsfähigkeit auf selbstbestimmtes Handeln, Gestaltungsfähigkeit auf kreatives Handeln und Urteilsfähigkeit auf sozial-verantwortliches Handeln bezogen werden. Mit diesen Überlegungen ist die Förderung von Lese- und Medienkompetenz zugleich in einen allgemeinen Rahmen für die Bildung in der Informations- bzw. Wissensgesellschaft eingeordnet.