Thomas Hirschle und Bernd Knochenhauer, Aktive Medienarbeit in die Schule!

Der Stellenwert aktiver Medienarbeit

Kinder und Jugendliche wachsen in einer Welt auf, die zunehmend von Medien beeinflußt wird und durch die rasante Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien starken Veränderungen unterliegt. Neben die klassischen, Sozialisationsinstanzen Familie und Schule treten zunehmend die Medien. Für die Erfahrungsmöglichkeiten der Jugendlichen bedeutet dies, daß einer Abnahme des Anteils unmittelbarer Erfahrungen eine Zunahme des Anteils medialer Erfahrungen gegenübersteht. Medien ersetzen und ergänzen heute häufig lebensweltliche Nahräume im Alltag von Jugendlichen und scheinen für sie häufig attraktiver zu sein. "Die Mediennutzung eröffnet... für Jugendliche Möglichkeiten zur Lebensbewältigung, zur Überschreitung räumlicher, sozialer und emotionaler Grenzen. Mediennutzung ist daher ein Hauptbestandteil der Lebensstilsuche Jugendlicher." (Brenner/Niesyto (Hrsg.), Handlungsorientierte Medienarbeit, Weinheim und München, 1993 S.11).

Kinder und Jugendliche entwickeln mehr oder weniger adäquate Strategien für kompetenten Umgang mit den Inhalten der Medien. Die Medienerfahrungen der Jugendlichen sind in der Sozialisationspraxis der Schule sowohl erzieherisch als auch in Bezug auf die Lerngegenstände kaum erfaßt.

Noch sind Massenmedien (Film, Fernsehen, Video etc.) in der Schule eher Gegenstand einer bewahrpädagogischen Kulturkritik oder einer kognitiv analytischen Praxis, die z.B. die "Manipulationsmöglichkeiten" der Medien zum Thema hat. Eine handlungsorientierte Komponente, die auch die emanzipatorischen Möglichkeiten der modernen Informationstechnologien aufgreift, kommt bisher zu kurz. Medienerziehung in der Schule sollte aber darin bestehen, reflexiv-kritische, analytische, praktisch-technische und kreative Lernprozesse zu integrieren. Bei der Forderung nach stärkerer Betonung der Aktiven (produktiven) Medienarbeit geht es also darum, "die Fähigkeit zur kreativen Handhabung der Medien und die zur Analyse medialer Prozesse und Produkte, in eine Balance zu bringen." (Dehnborstel, u.a., Lernziel Praxis, München, 1995, S.10)

Die Schule aber auch der außerschulische Bildungsbereich sind also angesichts der beschleunigten Ausbreitung moderner Informationstechniken und Neuer Medien in allen Lebensbereichen vor neue Aufgaben gestellt.

Die Diskussion über die Anforderungen, die sich aus diesen gesellschaftlichen Veränderungen für Medienerziehung ableiten, veranlaßte sowohl die Kultusminister- (1995) als auch die Jugendministerkonferenz (1996), Erklärungen abzugeben, in denen die Bedeutung medienpädagogischer Arbeit in der Schule und in der Jugendarbeit hervorgehoben und der Aktiven Medienarbeit großer Stellenwert zugewiesen wird. Allen Erklärungen ist neben den allgemeinen medienpädagogischen Lernzielen wie "sich in der Medienwelt zurechtfinden können", "die durch Medien vermittelten Informationen, Erfahrungen und Handlungsmuster kritisch einordnen können", vor allem das über Aktive Medienarbeit zu vermittelnde "sich innerhalb einer von Medien bestimmten Welt selbstbewußt, eigenverantwortlich und produktiv verhalten können" (medien praktisch, Zeitschrift für Medienpädagogik, Frankfurt/M, 4/95, Einleitung) gemein.

Der Orientierungsrahmen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung zur "Medienerziehung in der Schule" (1995) verleiht der praktisch-gestalterischen Medienarbeit an der Schule, vor allem in der Sekundarstufe I, besonderes Gewicht. Erlebnis- und Handlungsorientierung als geforderte übergreifende Gestaltungsprinzipien der Medienerziehung werden am angemessensten in Form von Projektarbeit mit Aktiver Medienarbeit erreicht. Aktive Medienarbeit und Projektunterricht bilden eine Einheit, wobei die "praktisch - gestalterische Medienarbeit (...) in besonderem Maße geeignet (...ist, die Verf.) Formen kooperativen Lernens zu fördern." (Orientierungsrahmen "Medienerziehung in der Schule", Hrsg. Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, Bonn 1995, S. 25) Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, Medienerziehung in der Schule so anzulegen, "daß nicht nur fachbezogene Analysen und Auseinandersetzungen möglich werden. Vielmehr sollen die Probleme in ihrer Komplexität aus verschiedenen Perspektiven erfaßt werden" (Orientierungsrahmen "Medienerziehung in der Schule", Hrsg. Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, Bonn 1995, S.26). Dies ist über exemplarische, handlungsorientierte, fachübergreifende Projektarbeit möglich.

Potentiale Aktiver Medienarbeit

Die der Aktiven Medienarbeit inhärenten Möglichkeiten wurden in pädagogischen Handlungsfeldern erst möglich und wirksam, nachdem seit Ende der siebziger Jahre entsprechende Medientechnik zur Eigenproduktion für eine breitere Bevölkerungsschicht verfügbar war. Im Bildungsbereich wurde zu jener Zeit eine Reformdiskussion eröffnet, die Formen schulischen und außerschulischen Lernens durch Schülerpartizipation und Projektunterricht zusammenführen wollte und die Öffnung der Schule nach innen und außen propagierte. Der Transfer von Konzepten und Erfahrungen der alternativen Medienarbeit, der auch eine Form von Gegenöffentlichkeit implizierte - und sich auf Konzepte in Kunst und Kultur zur aktiven Medienverwendung (Brechts "Radiotheorie" oder Enzensbergers "Baukastentheorie" seien hier genannt) bezog - gelang zunächst vor allem in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern bzw. im Bereich der Jugendarbeit. Ereignisse, die eigene Befindlichkeiten und gesellschaftliche Probleme tangierten, wurden mit der Fotokamera und Printmedien, dem Tonbandgerät und der Schmalfilmkamera, später dann mit Video dokumentiert. Allmählich entstanden Konzepte zur medienpädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, aber auch zur aktiven, handlungsorientierten Medienarbeit in der Schule. In den achtziger Jahren erweckte die Videoarbeit das größte pädagogische Interesse, in der besonders viele Momente einer emanzipatorischen Medienerziehung gesehen wurden. In den neunziger Jahren erlebten Jugend- und Schülerradios eine Renaissance und die Computerarbeit gewann zunehmend an Bedeutung. Im schulischen Bereich spielte die Aktive Medienarbeit in Konzepten zur ästhetischen Kommunikation bereits Ende der siebziger Jahre eine große Rolle. Allerdings gelang es bis heute nicht, Aktive Medienarbeit dauerhaft als eine Unterrichtsform oder ergänzendes Angebot zu etablieren. In der Schulpraxis existieren zwar inzwischen Medien- Arbeitsgemeinschaften als fakultative Angebote oder in eigener Regie von Jugendlichen. Darüber hinaus werden an Projekttagen und in Projektwochen Medien aktiv eingesetzt, fachübergreifende oder in den "institutionalisierten" Unterricht integrierte Projekte bleiben jedoch nach wie vor eher selten.

Dies verwundert um so mehr, als das pädagogische Potential der Aktiven Medienarbeit äußerst vielfältig ist. Es bestehen zwar Unterschiede zwischen den verschiedenen Medien und jedes hat auch seine spezifischen Vor-und Nachteile.

Die Projektarbeit als anspruchsvollste, aber auch arbeitsintensivste Methode der Medienerziehung, bietet jedoch vielfältige Ansatzpunkte für eine veränderte Lernkultur in der Schule:

  • Grundsätzlich ist "Aktive Medienarbeit" eine Möglichkeit, den schulischen Alltag und den Fachunterricht attraktiver zu gestalten und neue Methoden wie die exemplarische oder Projektunterricht einzuführen.
  • Medienarbeit ist ein ganzheitlicher Lernprozeß, der viele Sinne anspricht und einbezieht. Die Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen werden geschult und der Lernprozeß basiert vornehmlich auf praxisbezogenem Handeln (Handlungsorientiertheit). Dies ist ein wichtiger "Gegenpol" zu verbal-orientierten bzw. kognitiven Formen des Lernens in der Schule. Fähigkeiten wie konzeptionelles und ästhetisches Denken, praktische, technische und organisatorische Fertigkeiten werden gefordert und gefördert. Im kreativen Produktionsprozeß wird die schöpferische Eigentätigkeit und die Kommunikations- und Mitteilungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen innerhalb und außerhalb des schulischen Rahmens angeregt.
  • Lernen hat nicht nur eine geistig-kognitive oder ästhetisch-praktische Dimension, sondern vor allem eine soziale und emotionale. Die Produktion von Medien ist ein komplexer Prozeß, der in der Regel nur in der Gruppe zu bewältigen ist. Aktive Medienarbeit als Projekt löst immer auch gruppendynamische Prozesse aus. Sie ermöglicht unterschiedlichste Aufgaben, die den meisten Kindern und Jugendlichen Gelegenheit bieten, ihren Fähigkeiten entsprechend am Produktionsprozeß teilzunehmen oder auch neue Talente in sich zu entdecken und zu entwickeln. Ein Thema in eine kommunizierbare Form zu bringen, erfordert Aushandlungsprozesse über Konzeption, Ziel (-publikum) und konkrete Gestaltung des Produkts, die soziales Lernen fördern und deren Ergebnisse anhand der Reaktion Außenstehender reflektiert und möglicherweise relativiert werden können.
  • Aktive Medienarbeit kann somit auch als soziale Trainingsmethode für kooperatives Planen u. Handeln, für Gruppen- und Projektarbeit betrachtet werden. Gerade sogenannte "problematische" Jugendliche bzw. Schüler können hiermit erreicht werden.
  • Aktive Medienarbeit bietet durch die Nähe zu den von Jugendlichen bevorzugten Medien einen besonders hohen Motivationsgrad, so daß sich auch Themen "angehen" lassen, die mit anderen Methoden nur schwer vermittelbar wären. Darüber hinaus können lebensweltrelevante Themen aufgegriffen sowie persönliche Interessen und Bedürfnisse in einem offenen Lernprozeß artikuliert werden.
  • Vielfältige und variable Aufgaben in einem Medienprojekt können verfestigte Rollen und Zuschreibungen, z.B. auf Seiten von Schülern, relativieren und dem betreuenden Pädagogen neue Sichtweisen auf einzelne Schüler eröffnen. Damit fördert Aktive Medienarbeit auch ein geändertes Lehrer-/ Schülerverhältnis. In Projekten (Aktiver Medienarbeit) wandelt sich die klassische Rolle des Lehrers vom Wissensvermittler zu einem Moderator des Lernprozesses, einem im partnerschaftlichen Prozeß mitlernenden Individuum.
  • Medienarbeit kann als "Schlüssel" zu neuen Handlungs- und Erfahrungsfeldern dienen und dabei unterstützen, (Hemm-)Schwellen zu überwinden. Neue Lernorte z.B. als Drehort, werden aufgesucht, vor Ort wird recherchiert oder ein Interview mit Bürgern, Experten und Funktionsträgern geführt. Ihr Erfahrungswissen wirkt lebensnah und läßt einen "Hauch vom richtigen Leben" in die Schule einziehen.
  • Aktive Medienarbeit eignet sich auch zum besseren "Durchschauen" der Massenmedien, zum Erfahrungsgewinn im Umgang mit Massenkommunikationsmitteln und zur selbstbestimmten, kritischen Nutzung von audiovisuellen Medienangeboten. Die Wirkungsweise und Manipulationsmöglichkeiten von Massenmedien werden bei der Herstellung eines eigenen Produktes anschaulicher begriffen als bei einer rein kognitiven Analyse.
  • Durch die Produktorientierung werden Lerninhalte aktiv strukturiert und anhand der Orientierung an einer Mitteilungsabsicht und Zielgruppe auf ihre gesellschaftliche Relevanz kritisch geprüft. In der Regel besteht für Schüler /Jugendliche kaum eine Möglichkeit, aktiv in gesellschaftspolitische Zusammenhänge einzugreifen. Eine offensive Möglichkeit ist die Herstellung eines Videofilms, einer Schulzeitung, einer Ausstellung etc., die z.B. in der lokalen Öffentlichkeit eingesetzt werden können. Das Endprodukt eines Projektes (Film, Dokumentation, Ausstellung etc.) wird damit allgemein zugänglicher und in größerem Rahmen diskutierbar, was zu einer mehrperspektivistischen Sichtweise anregt und Toleranz fördern kann.
  • Aktive Medienarbeit bietet darüber hinaus z.B. einer Schule die Möglichkeit, das Potential der Medien zur Verbesserung der schulischen Informations-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit und zur eigenen Profilbildung zu nutzen.

Aktive Medienarbeit in der Schule

"Daß die Medienpädagogik in unseren Schulen eine Fiktion darstellt, ist leider Realität." (H.-U. Grunder, Medienpädagogik - nur Integration in den alltäglichen Unterricht!, in: medien und erziehung, 41. Jahrgang, 5, 97, S.289). Diese Schlußfolgerung von Grunder über die Medienpädagogik in der Schule entspricht nicht ganz der tatsächlichen Unterrichtspraxis, in ihrer Zuspitzung macht sie allerdings deutlich, wie wenig auch nach langjähriger (außerschulischer) medienpädagogischer Arbeit tatsächlich erreicht wurde. Die Situation der Aktiven Medienarbeit als Unterrichtsform kennzeichnet sie recht zutreffend.

Die Erfahrungen im Modellversuch "Aktive Medienarbeit als Mittel der Verzahnung von Schule und Freizeit" (Der Modellversuch "Aktive Medienarbeit als Mittel der Verzahnung von Schule und Freizeit", 1994 - 1997 am MPZ im Land Brandenburg durchgeführt. Siehe auch Abschlußbericht zum Modellversuch) bestätigen einerseits diese Einschätzung, sie bieten aber auch genügend Beispiele aus drei Jahren Modellversuchsarbeit, die diesen Sachverhalt -jedenfalls unter den Bedingungen des Modellversuchs - relativieren oder zumindest einen Weg zur Reduzierung von Problemen weisen können.

Durch die im Modellversuch angelegte Kooperation von Gesamtschulen, Realschulen und Gymnasien mit außerschulischen Institutionen wie Medien- und Kulturwerkstätten, der kommunalen "Sozialarbeit an Schulen", Jugendzentren sowie Kreisbildstellen konnte ein Beitrag zur Öffnung von Schulen geleistet werden. Darüber hinaus wurden eine Reihe weiterer Erfahrungen gesichert, die die Etablierung Aktiver Medienarbeit in der Schule überhaupt und deren schulische Rahmenbedingungen betrafen. Besonders berücksichtigt werden muß allerdings, daß sich die allgemeinen Bedingungen für Aktive Medienarbeit in den neuen Bundesländern noch gravierend von denen in den Altbundesländern unterscheiden, die zumindest über einen längeren praktischen und theoretischen Diskussionszusammenhang mit aktiver Medienarbeit verfügen.

Als wesentliche Problemfelder, die das Ge- oder Mißlingen von Projekten Aktiver Medienarbeit beeinflußten, kristallisierten sich die schulorganisatorischen Bedingungen im weitesten Sinne, die mangelnde Ausbildung bzw. Erfahrung der Lehrer in diesem Bereich, die unzureichende materielle Ausstattung sowie ein wenig ausgeprägtes Bewußtsein über die Notwendigkeit und das pädagogische Potential der Aktiven Medienarbeit heraus.

Die schulorganisatorischen Bedingungen

Die üblichen und beinahe unerschütterlich erscheinenden Unterrichts- und Organisationsformen der Schule stehen aktiver Medienarbeit entgegen, so daß sie im wesentlichen noch immer vom individuellen Engagement einzelner Lehrer abhängt. Die ausgeprägte Aufteilung der zu vermittelnden Inhalte auf einzelne Fächer erschwert es einer fachübergreifenden Aufgabe wie der Medienerziehung, die integrativ in verschiedenen Fächern unterrichtet werden soll und kann, von Lehrerenden als notwendig angesehen und durch ihre Person auch repräsentiert zu werden. Die in der Projektarbeit erforderliche Zusammenarbeit im Team stellt in der Unterrichtspraxis auch eher eine Ausnahme dar, so daß entsprechende Verhaltensmuster wenig geübt werden. Die Akzeptanz der Kollegen für die Projektarbeit, die häufig "Störungen" im gewohnten Ablauf von Schule verursacht, kann ebenfalls nicht immer vorausgesetzt werden.

Findet Projektarbeit doch statt, wird sie häufig zu wenig in den Ablauf eines Schuljahres eingepaßt, bzw. aus Mangel an Erfahrung auch zu umfangreich angelegt. So können Erwartungen an den Lehrer wie z.B. ein Theaterstück mit Schülern zu einer Weihnachtsfeier zu präsentieren oder Ereignisse wie Klassenfahrten, Ferien und Prüfungszeiträume die Medienarbeit gerade an neuralgischen Punkten unterbrechen und damit nicht nur die Motivation der Schüler absenken, sondern die Kontinuität eines Projektes überhaupt in Frage stellen. Findet Medienarbeit an der Schule statt, so handelt es sich häufig um Projekte, die für schulische Dokumentations- und Werbezwecke instrumentalisiert werden oder eine Idee des Lehrers in den Vordergrund stellen und den Schülern dadurch teilweise die Rolle von Statisten im Lernpozeß zuweisen.

Hinzu kommt, daß Lehrer in der Regel ihr Schuljahr individuell und von einer fachbezogenen Logik aus planen. Damit wird fachübergreifendes Arbeiten erschwert und den Schülern ein ständiger Wechsel der Inhalte im 45-Minuten-Takt einer Unterrichtsstunde präsentiert.

Durch rechtzeitiges Einwirken auf eine Stundenplangestaltung, die günstigere Voraussetzungen für Projektarbeit schafft, können schon einige Spielräume eröffnet werden. Die Zusammenlegung von Stunden, epochaler Unterricht, Block- und Randstunden fassen größere Zeiträume zusammen oder ermöglichen sogar eine gelegentliche Verlängerung des Unterrichts in den Freizeitbereich hinein, so daß Projekte eher realisiert werden können.

Die Nutzung der Projektwochen zur Aktiven Medienarbeit und ein Schulmanagement, das soweit wie möglich auf flexible Anforderungen von Projektgruppen reagiert (z.B. Herauslösen einzelner Schüler aus dem Unterricht, Einfügen eines Projekttages für eine Klasse, unkomplizierte Freistellungen für wichtige Interviews vor Ort etc.) erhöhen die Akzeptanz für Projektarbeit.

Als schwierig in der Projektarbeit insgesamt und speziell in der Aktiven Medienarbeit, erweist sich häufig die große Anzahl der beteiligten Schüler. Das Arbeiten in kleinen Arbeitsgruppen und eine entsprechende Aufteilung der Aufgaben setzt nicht nur "Managmentkompetenzen" der Lehrer, sondern auch die Kooperationswilligkeit der Kollegen voraus.

Die Erfahrungen im Modellversuch zeigen, daß die Rahmenbedingungen für Aktive Medienarbeit an einer Schule entscheidend verbessert werden können, wenn das Kollegium stärker mit einbezogen ist. Brandenburg versucht dem insofern Rechnung zu tragen, als verstärkt schulinterne Fortbildungen für einen größeren Teil bzw. ein ganzes Kollegium angeboten werden, um so Fragen der Medienerziehung und der Aktiven Medienarbeit der ganzen Schule näherzubringen.

Kompetenz und Erfahrung bei Lehrern

Projektarbeit mit ihrem hohen Zeitaufwand und ihren anders strukturierten Arbeitsformen stellt viele Kollegen vor Probleme. Häufig scheuen Lehrer den Aufwand für Aktive Medienarbeit überhaupt oder sehen in ihr wenig fachliche und pädagogische Ansatzpunkte. Um den Arbeitsprozeß bei Medienprojekten sinnvoll anleiten zu können, werden technische und gestalterische Kompetenzen verlangt, die Lehrern in der Ausbildung häufig nicht vermittelt wurden.

"Die Lehrerinnen und Lehrer, die in der Regel einen wissenschaftsdiziplinbezogenen Zugang zu Unterrichtsinhalten haben, fühlen sich...als Amateure, wenn die Medienerziehung keinen klaren Fachbezug hat." (L. Austermann, Zu den Möglichkeiten und Grenzen produktiver Medienarbeit in der Schule, in: GMK-Rundbrief, Nr. 34/März 1993, S.57)

In der Aktiven Medienarbeit befinden sich Lehrer in einem besonderen Spannungsverhältnis, wenn es um die Themenwahl geht. Einerseits gibt es Lehr- und Lernziele, an denen sich unterrichtliche Prozesse orientieren (sollten). Andererseits ist eine offenere Zugangsweise zu Themen häufig erfolgsversprechender, da die Motivation der Schüler größer ist, wenn sie sich mit dem Thema identifizieren, es einen Bezug zu ihrer Lebenssituation herstellt und sie die Arbeitsweise mitbestimmen können. Lehrer wollen (und müssen) aber sicherzustellen, daß geplante Vorhaben mit dem Lehrplan vereinbar bleiben und bewertet werden können.

Ein anders strukturierter Lernprozeß und damit einhergehend auch die Veränderung der Lehrerrolle setzen ein gewandeltes Selbstverständnis von Lehrern voraus, das sich nicht auf eine Reduzierung als Wissensvermittler beschränken kann. Gerade im Bereich des sozialen Lernens, das ja durch die Gruppenarbeit in Projekten gefördert wird, wurden im Modellversuch sehr positive Veränderungen im Verhältnis der Schüler untereinander aber auch gegenüber den Lehrern erkennbar. Diese haben nicht unwesentlich dazu beigetragen, daß auch skeptische Lehrer den Möglichkeiten der Aktiven Medienarbeit gegenüber aufgeschlossener wurden.

Materielle Ressourcen

Die medientechnische Ausstattung an den Schulen ist in der Regel unzureichend. Damit müssen häufig Improvisationen in Kauf genommen werden, die dazu führen, daß Lehrer sich schnell von der Projektarbeit mit Medien abwenden. Hier können externe Partner (Medienzentren, Jugendclubs etc.) einbezogen werden, die über Medientechnik verfügen und ein Projekt unterstützen können.

Banal aber immer wieder beobachtbar ist, daß die vorhandenen Ressourcen im technischen Bereich zwischen Schulen und außerschulischen Medieneinrichtungen relativ wenig genutzt werden. Oft wissen Lehrer nicht, daß in einem benachbarten Jugendclub eine Schnittmöglichkeit existiert. Auch wenn noch häufig Berührungsängste zwischen außerschulischen Einrichtungen und Lehrern bestehen, zeigen die Erfahrungen im Modellversuch, daß, ist der Kontakt erst einmal hergestellt (z.B. über gemeinsame Fortbildungen oder vermittelt über Schüler), sich daraus fruchtbare Möglichkeiten gemeinsamer Projektarbeit ergeben. Langfristig bewirkt diese Zusammenarbeit, über den Kreis einzelner Mitarbeiter hinaus, daß Schulen und außerschulische Träger sich als selbstverständliche Ansprech- und Kooperationspartner betrachten. Besonders positiv waren auch die Erfahrungen mit der Einbeziehung außerschulischer Experten und Künstler aus dem Medienbereich in die Projektarbeit.

Betrachtet man die aufgeführten Schwierigkeiten im gesamten so scheint der Versuch Aktive Medienarbeit als Projektmethode in der Schule einzusetzen, eher einem Hindernislauf zu gleichen, als die zu Beginn formulierten Potentiale zu besitzen.

Insgesamt scheint zunächst eine "Politik der kleinen Schritte" zur Integration der Aktiven Medienarbeit in Schulalltag notwendig: Von kleinen Dokumentationen im Fachunterricht über Theaterdokumentationen im Darstellenden Spiel, bis zu "richtiger" Projektarbeit in Projektwochen wird ein zunehmender "Bedarf" an weiteren Aktivitäten geschaffen, der nach und nach auch stärker organisatorisch berücksichtigt wird. Die Unterstützung eigener Aktivitäten der Schüler/innen, z.B. von Arbeitsgemeinschaften, ist besonders wichtig, da sie Medienarbeit an Schulen entscheidend mitentwickeln können.

Die durch den Brandenburger Modellversuch initiierten Projekte haben trotz aller Schwierigkeiten, einiges in Bewegung gebracht: Einige der bisher nicht mit Aktiver Medienarbeit vertrauten Kollegen arbeiten weiterhin dauerhaft mit Medien und nutzen auch die Kooperationsmöglichkeiten mit außerschulischen Partnern. An mehreren Schulen wurden Arbeitsgemeinschaften und fakultative Kurse eingerichtet, sowie Stundenentlastungen für Lehrer durchgesetzt, die der Medienarbeit zugute kommen.

Ein auf die Projekte abgestimmtes Fortbildungskonzept ermöglichte einem größeren Kreis von Kollegen sich Medien- und Projektkompetenzen anzueignen.

An drei Schulen entstand ein zusätzliches Freizeitangebot für Schüler. Darüber hinaus haben einige Schüler soviel Medienkompetenz erlangt, daß sie ihr Wissen als Tutoren weitergeben können und selbstständig Projekte, z.B. auch Videoreferate, realisieren. Zusammen mit den Erfahrungen der beteiligten Lehrer kann sich so an einzelnen Schulen eine gewisse "Tradition" schulischer Medienarbeit herausbilden.

Eine Gruppe der am Modellversuch beteiligten Lehrkräfte, aber auch interessierte Kollegen anderer Schulen, treffen sich weiterhin, um Konzepte für Arbeitsgemeinschaften und fakultative Angebote in der Sekundarstufe I weiterzuentwickeln. Hier entsteht eine weitere Form der Vernetzung.

Darüber hinaus kann Medienarbeit auch entscheidend zur Profilbildung einer Schule beitragen. Angesichts sinkender Schülerzahlen in Zukunft ein Faktor, der genutzt werden sollte, um die Attraktivität der Schule weiter zu befördern und die Transparenz der pädagogischen Arbeit nach außen zu erhöhen. An einigen Schulen des Modellversuchs konnte die Aktive Medienarbeit zur Schulentwicklung beitragen und unter anderem auch dadurch für (neue) Schüler und Eltern interessanter werden.

Ein kleiner Wegweiser zur Projektarbeit mit Medien in der Schule

Um den Einstieg für an Medienarbeit interessierte Kollegen zu erleichtern, haben wir einen Fragenkatalog und Anregungen zusammengestellt, die die Planung und Durchführung eines Projektes unterstützen können. Wir beschränken uns auf allgemeine Hinweise, die den Prozeßablauf eines Medienprojektes betreffen und klammern an dieser Stelle konkrete Hilfen zum Umgang mit einem bestimmten Medium aus.

Vor Beginn eines Medienprojektes sollte jeder Lehrer einige Überlegungen zu den Rahmenbedingungen seines Vorhabens anstellen:

  • Wie sind meine individuellen Ambitionen? Welches die Möglichkeiten, Erwartungen, Bedürfnisse, Interessen der Schüler?
  • Soll ein Thema vorgegeben werden oder soll es von den Schülern entwickelt werden? Die Gruppenbedürfnisse und Ideen der Schüler sollten möglichst stark einbezogen werden.
  • Welchen Stellenwert soll das Medienprojekt haben? Steht das soziale Gruppenverhalten im Vordergrund, der kreative Umgang mit dem Medium, ein fachbezogener Aspekt, das Erreichen einer größeren Öffentlichkeit?
  • Welche eigenen Kompetenzen sind vorhanden? Technisch, konzeptionell, inhaltlich? Eigene technische Kompetenzen sind nicht unbedingt eine Vorbedingung für die Durchführung z.B. eines Videoprojektes. Was Pädagogen nicht wissen, können sie sich mit den Schülern zusammen erarbeiten. Konzentrieren Sie sich auf die Sicherung der organisatorischen Rahmenbedingungen und die Gesamtmoderation, überlassen Sie weitgehend den Schülern die Technik. Sie eignen sich die Technik schneller an als Pädagogen glauben.
  • Neueinsteiger sollten zuerst ein überschaubares, klar umrissenes Projekt planen. Wird ein größeres Projekt angedacht, sich eventuell Unterstützung unter Kollegen sichern und möglichst exakt planen.
  • Können andere externe Personen/Experten zur Unterstützung gewonnen werden? Beispielsweise Mitarbeiter des Freizeit/-Jugendbereichs, die Schulsozialarbeit, eventuell Eltern, Mitarbeiter von Medienzentren, Presse, Funk oder Fernsehen, Kultureinrichtungen etc.?
  • Kann oder muß ein Projekt im normalen Schulstundenrahmen umgesetzt werden? Sollen Projekttage/- wochen einbezogen werden?
  • Welches Stundenpotential steht insgesamt zur Verfügung (Zeitschiene entwerfen)? Kann dies erweitert werden durch epochalen Unterricht, durch Randlage der Unterrichtsstunden mit der Möglichkeit in den Nachmittag hinein zu verlängern, durch eine fachübergreifende Herangehensweise? Einzelstunden eignen sich kaum zur Projektarbeit, deshalb sollten mindestens Doppelstunden vorgesehen und falls noch möglich die Stundenplangestaltung beeinflusst werden.
  • Wann soll das Projekt starten? Ist der Zeitraum richtig gewählt? Unbedingt beachten: Koordination der Projektzeit mit Klausuren, Ferien, Schullandheimaufenthalten etc. vornehmen.
  • Unbedingt das schulische Umfeld vorbereiten: Direktor informieren, Kollegen (wegen Störungen des "Normalbetriebs"), Räume anmelden.
  • Eventuell das Einverständnis der Eltern besorgen (z.B. bei außerschulischen Aktivitäten).

Für die Projektphase selbst gelten die nachfolgenden Anregungen, die sich auf den Produktionsprozeß beziehen:

  • Schüler arbeiten besser an Themen, die sie stark interessieren und/oder die sie selbst eingebracht haben. (Identifikation). Die Motivation steigt, je weniger ein Thema aufgesetzt ist und je mehr Ideen der Klasse integriert werden können.
  • Keine Instrumentalisierung des Projekts für bloße Selbstdarstellungszwecke der Schule. Schüler spüren dies und verlieren möglicherweise ihre Motivation.
  • Die Aufgabe muß überschaubar und klar formuliert werden (Zielklärung). Die Schüler benötigen Hilfe bei der Strukturierung des Themas und bei der Planung des Projekts, sie brauchen auch dramaturgische und gestalterische Hilfsmittel. Eine Visualisierung der Planung (Arbeitsplan, Storyboard etc.) ist sehr hilfreich.
  • Die Erfahrungen der Schüler auch im technischen Bereich einbeziehen. Sie eignen sich die Technik relativ leicht an. Einen vermeintlichen technischen Vorsprung der Jungen holen die Mädchen schnell dadurch auf, daß sie aufmerksamer Erklärungen folgen. (Voraussetzung ist allerdings, daß die Lehrkraft Schülerinnen ermuntert, "sich der Technik zu bemächtigen".)
  • Eine "professionelle" Arbeitsatmosphäre und die Produktorientierung konzentrieren den Arbeitsprozeß. Allerdings brauchen die Schüler auch ausreichend Zeit im Arbeitsprozeß, um eigene Erfahrungen zu sammeln. Versuchen Sie nicht alles zu steuern.
  • Versuchen Sie die Beteiligung der ganzen Klasse (Gruppe) im Projekt zu sichern. Auch "Randaufgaben" gehören zu einem Projekt und müssen festgelegt werden. Auf eine arbeitsfähige Gruppengröße/-zusammensetzung achten. Mögliche Reibungsverluste (inhomogene Gruppenzusammensetzung) bedenken.
  • Nicht von vorneherein eine Spezialisierung der Aufgaben einführen. Wenn möglich eine (bedingte) Aufgabenrotation durchführen. Schüler sollten zunächst möglichst viele Aspekte einer Medienproduktion kennenlernen.
  • Bei größeren Medienprojekten darauf achten, daß mehrere Schüler die wichtigen Funktionen (z.B. bei einer Videoproduktion: Kamera, Ton) übernehmen können.
  • Sehr motivierend ist die Unterstützung durch außerschulische Partner/Profis und das Aufsuchen außerschulischer Lernorte.
  • Die Präsentation der Projektergebnisse schon vorher mitdenken und planen (für die beteiligte Gruppe ist eine Präsentation über den engeren Produzentenkreis hinaus ungeheuer wichtig). Ein Präsentationstermin kann den Arbeitsprozeß konzentrieren und verbindlicher machen.

Alle Erfahrungen zeigen eines: Aktive Medienarbeit in Projektform ist zwar aufwendig und erfordert einen größeren Planungsaufwand, aber mit wachsender Erfahrung und begleitender dezentraler Fortbildung wird sie realisierbar, vorausgesetzt die Rahmenbedingungen werden positiv mitentwickelt.

Die schulorganisatorischen Voraussetzungen sind dadurch zu verbessern, daß Aktive Medienarbeit eng mit der Diskussion um eine Öffnung von Schule nach innen und nach außen verbunden werden. Die Aktive Medienarbeit ist überfordert, wenn sie die Öffnung von Schule allein betreiben soll. Sie ist aber ein wichtiger Baustein auf diesem Weg. Eine Öffnung der Schule und Aktive Medienarbeit bedingen sich gegenseitig. Auf der einen Seite braucht die Aktive Medienarbeit flexiblere Schulbedingungen, die mit einer offeneren Schule gegeben wären, auf der anderen Seite muß und kann die Aktive Medienarbeit selbst zu einer Öffnung von Schule beitragen. Beide Faktoren stellten sich im Modellversuch als ein wechselseitig aufeinander bezogener Prozeß dar.

Thomas Hirschle, (Päd. Mitarbeiter im Modellversuch und Referent für Politische Bildung/Aktive Medienarbeit am MPZ)
Bernd Knochenhauer (Mitarbeiter und Projektleiter im Modellversuch "Aktive Medienarbeit als Mittel der Verzahnung von Schule und Freizeit" am MPZ)