Günter Thiele, BEKUM - Beratungsstelle Kommunikationstechniken und Multimedia: Ein neues Serviceangebot der Landesbildstelle Berlin

Die Landesbildstelle Berlin beteiligte sich in den achtziger Jahren an der medienpädagogischen Diskussion über "Chancen und Gefahren" der Neuen Informations- und Kommunikationstechniken (NUK). Sie bietet seit nunmehr über zehn Jahren Beratung und Kurse zum Gesamtbereich der NUK an. Mittlerweile durchdringen die unterschiedlichen, sich immer weiter ausdifferenzierenden Anwendungsformen dieser Techniken alle Lebensbereiche. Zunehmend werden sie auch für den Kultur- und Bildungsbereich immer wichtiger, sind in ihrer sich schnell verändernden Angebotsvielfalt jedoch schon jetzt schwer überschaubar und bewertbar. Hinzu kommen neue, damals für uns noch nicht erkennbare technologische und kulturelle Entwicklungen.

Der Welt-Telekomunikationsmarkt soll bis 1994 auf ca 500 Milliarden Ecu wachsen, was fast dem Zehnfachen des Weltmarktes für Personalcomputer entsprechen und den Produktionswert der Automobilindustrie deutlich übersteigen wird. Die schnell steigende technische Leistung der Mikrochips beschleunigt in Verbindung mit Ansätzen wie "Fuzzy - Logik" und "neuronale Netze" auch Weiterentwicklungen in Wissenschaft und Technik. Die schnelle Entwicklung neuer Techniken und Leistungen in der Telekommunikation und im audio-visuellen Sektor fällt zusammen mit dem derzeit stattfindenden Übergang von isolierter Informationstechnik zu integrierten, verteilten Informationssystemen.
Vorausgesagt wird, dass die unterschiedlichen Formen von Informationsvermittlung und Informationsaustausch mit technischen Medien miteinander verschmelzen werden. Angesichts dieser Entwicklungen wollen wir das Verhältnis zu den neuen Techniken erneut durchdenken und die Informations- und Beratungsangebote verstärken.

Derzeit sind z.B. "Multimedia" und "Interaktive Lernsysteme" die Zauberwörter, mit denen (erneut) große Erwartungen besonders für den Bildungsbereich geweckt werden. Ähnlich wie bei der verstärkten Einführung audiovisueller Medien in den siebziger Jahren und bei der ersten Computerausstattung in den achtziger Jahren stehen besonders für den Bildungsbereich, aber auch für Jugendarbeit und Kulturarbeit wieder schwierige Grundsatz- und Auswahlfragen mit zum Teil erheblichen finanziellen Auswirkungen zur Entscheidung an. Das Angebot an zum großen Teil inkompatiblen Geräten, Programmen und "Diensten" steigt schnell und ist für einzelne Multiplikatoren kaum noch überschaubar und bewertbar.

Die Landesbildstelle Berlin hat deshalb über ihr allgemeines Fortbildungs- und Beratungsangebot hinaus in diesem Feld bereits zwei spezielle Serviceangebote eingerichtet: die Werkstatt für aktive Medienarbeit (WAM) und die Arbeitsgruppe Unterrichtssoftware (ARBUS). Anfang 1992 ist die Zentrale Beratungsgruppe für Informatikrechner an allgemeinbildenden Schulen (ZEBIS) dazugekommen.

Die neue Beratungsstelle Kommunikationstechniken und Multimedia (BEKUM) soll in enger Zusammenarbeit mit diesen Einrichtungen Berliner Multiplikatoren/innen eine fachlich und pädagogisch betreute, regelmäßig erreichbare Demonstrations-, Erprobungs-, Beratungs- und Fortbildungsmöglichkeit anbieten.

Gleichzeitig soll durch die Zusammenarbeit mit den Nutzern/innen eine bessere Einschätzung der Praxisrelevanz der Neuen Medien ermöglicht werden. Die Landesbildstelle greift hier zurück auf langjährige Erfahrungen mit ihrem "Trainingszentrum für audio - visuelle Medien". Sie betrachtet die BEKUM als weiteren Baustein zur Realisierung ihres Konzepts einer erfahrungs- und handlungsorientierten Medienpädagogik, die medienpolitische und medienkritische Reflexionen inhalts- und prozeßangemessen einbezieht.

Gerade im Bereich der Neuen Technologien sieht sie ihre Aufgabe weder darin, technikbegeistert neue Möglichkeiten für den Bildungsbereich zu propagieren, noch darin, kulturkritische Visionen vom unaufhaltsamen Zurückdrängen personaler Kommunikation zu verbreiten. Vordringlich erscheint ihr stattdessen, auf der Basis differenzierter Sachkunde nüchterne Einschätzungen von Chancen, Gefahren und vor allem von Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten und im Dialog mit ihren Adressaten zu verbreiten. Auch im Bereich der Neuen Medien bleibt das Ziel ihrer medienpädagogischen Aktivitäten weiterhin die kompetente und selbstbewusste Nutzung der Medien zur Information und Bildung, zur Unterhaltung und zur Artikulation.

Nach dem bisherigen Planungsstand sollen in der Werkstatt folgende Bereiche integriert angeboten werden:

  • Computerspielebank
  • Bildschirmtextzugang
  • Zugang zu Datenbank- und Mailbox-Systemen
  • Optische Speichersysteme und multimediale interaktive Lernsysteme
  • HDTV
  • Zugang zu ISDN, IBFN, Satellitenkommunikation
  • Virtuelle Realität, Cyberspace

Diese Angebote werden folgende Aspekte umfassen:

1. Computerspielebank

Das Angebot an Computerspielen wird immer breiter, vielfältiger und technisch perfektionierter. Viele tausend Spiele und hunderte jährlicher Neuerscheinungen bilden einen Markt, den Eltern und auch Multiplikatoren kaum überschauen können. Problematisch erscheint dabei vor allem, dass häufig Konfliktlösung durch Gewalt, Kriegsverherrlichung und menschenverachtende Darstellung von Frauen, Ausländern, u.a. Spielanlässe bilden bzw. als implizite Ideologie verbreitet werden. Übertriebenen und pauschalisierenden Warnungen vor der schädlichen "Wirkung" von Computerspielen soll jedoch mit differenzierender Information entgegengetreten werden. Die Landesbildstelle hat bereits mehrere Seminare zur Information und pädagogischen Diskussion über Computerspiele durchgeführt und sich an der Entwicklung von Beurteilungskriterien und an der Erstellung einer Übersicht über möglichst gewaltfreie Computerspiele beteiligt.

Solche Aktivitäten sollen fortgeführt und durch die Computerspielebank gezielt unterstützt werden. Ihre Hauptaufgabe wird es sein, eine größere Zahl aktueller, von Fachleuten ausgewählter, beschriebener und bewerteter Spiele (vgl. Entwurf Kriterienraster) zentral für Demonstrationen und angeleitete Eigenerprobungen zur Verfügung zu stellen.

Dies erscheint schon allein aus finanziellen und zeitökonomischen Gründen sinnvoll: Diese Spiele werden in unterschiedlichen nicht kompatiblen Formen für verschiedene Spielkonsolen (Sega, Nintendo, Lynx ...) und Computertypen (Amiga, Atari, PC...) angeboten. Neuere Spiele für den PC z.B. kosten meinst über 100 DM pro Stück, haben einen hohen Speicherbedarf, benötigen Zusatzausstattungen für den Computer und einen Zeitaufwand von mehreren Stunden für Installation und Erprobung.

Außerdem sollen in Zusammenarbeit mit der WAM Möglichkeiten einer aktiven Medienarbeit mit entsprechenden Spielprogrammen (wie z.B. Trickfilmerstellung am Computer) erprobt und demonstriert werden.

2. Bildschirmtextzugang

Bildschirmtext - mehrfach in der Fachdiskussion schon "totgesagt" - hat bisher in Deutschland nur eine sehr geringe Anschlussdichte und wird von einem gewichtigen Teil der Nutzer entgegen der ursprünglichen Konzeption fast ausschließlich als vergleichsweise kostengünstiges Datenübertragungssystem genutzt. Trotz mehrerer Modellversuche sind für den Bildungsbereich wichtige Fragen (vgl. Arbeitspapiere der Landesbildstelle von 1983) noch ungeklärt.

Nachdem nun jedoch die Telekom einschneidende Systemveränderungen hin zu einem "qualifizierten" Btx angekündigt hat, sind in den Nutzungsmöglichkeiten und in der Teilnehmerzahl deutliche Veränderungen zu erwarten. Außerdem bieten die Möglichkeit des Zugangs zu externen Rechnern, zu Datenbanken und Mailboxsystemen via Btx und ein Service wie die Weiterleitung von Informationen an Fax- und Telex- Teilnehmer wichtige Angebote. Die BEKUM wird deshalb einen Btx-Anschluss zur Demonstration und zur angeleiteten Erprobung und Nutzung des Systems zur Verfügung stellen.

3. Zugang zu Datenbank- und Mailbox-Systemen, Electronic-Mail

Mit entsprechender technischer und finanzieller Ausstattung sind heute weltweit über 5000 Online-Datenbanken und Tausende von Mailboxen bzw. BBS (Bulletin Board Systems) erreichbar. Aktuelle und umfangreiche Übersichtsinformationen, Ergebnisse spezialisierter Forschungsbereiche, fachlicher und politischer Meinungsaustausch und Mitteilungen für bestimmte Gruppen werden zum Teil nicht mehr auf herkömmlichen Wege publiziert, sondern in solchen Systemen für den Abruf über Datenfernübertragung bereitgehalten. (Die Beggriffsbildung ist uneinheitlich, als Sammelbegriff wird zum Teil auch Electronic Mail benutzt). Den Zugang erhalten allerdings meist nur eingeschriebene und die entsprechenden Gebühren zahlende Mitglieder.

Mailboxen lassen sich bereits mit einem einfachen PC betreiben, der mit Hilfe eines Modems (Modulieren - Demodulieren = digitale Daten eines Computers für die Telefonübertragung in analoge Schwingungen - Pfeiftöne - verwandeln und umgekehrt) Zugang um öffentlichen Telefonnetz hat. Alle ebenfalls mit PC und Modem ausgestatteten Anrufer/innen können Informationen in diesen Mailbox-Computer übertragen und dort speichern sowie - umgekehrt - Daten aus diesem lesen und in den eigenen Rechner übertragen. Hierzu werden für die Nutzer/innen "elektronische Briefkästen" eingerichtet. Diese sind entweder nur für Berechtigte zugänglich, oder sie sind öffentliche Fächer, sogenannte Bretter (in Analogie zum Schwarzen Brett) über die ein reger Informations- und Meinungsaustausch stattfindet.

Die Anzahl der Mailboxen und ihrer Nutzer/innen hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. In Deutschland gibt es allein etwa 700 nichtkommerzielle Mailboxen. Sie sind meist in Netzen zusammengeschlossen: PC-Net umfasst etwa 65 Mailboxen, an deren Brettern neben allgemeinen aktuellen, vorwiegend computerbezogene Themen erörtert werden. Zum Zerberus-Netz gehören etwa 250 Mailboxen, deren insgesamt über 500 Bretter von über 20.000 Menschen genutzt werden. Inhaltliche Schwerpunkte liegen hier in den Bereichen Politik, Soziales, Ökologie, Bildung. Zum international operierenden Fido-Netz sollen weltweit sogar etwa 10.000 Mailboxen mit über zwei Millionen Nutzer/innen gehören. Speziell für den Bereich Bildung will die Kommission der Europäischen Gemeinschaft in diesem Jahr ein europäisches Bulletin Board System einrichten.

Die Nutzung dieser nichtkommerziellen Mailboxen ist gegen einen geringen Unkostenbeitrag möglich. Deutlich teurer wird die Teilnahme an professionell betreuten, international operierenden kommerziellen Systemen wie Compuserve und GEnie.

Dies gilt auch für die Informationsrecherche in Datenbanken. Ein großer Teil der Datenbanken wird nicht von den Produzenten selbst angeboten, sondern von sogenannten Datenbank-Hosts.

So sind z.B. in Deutschland über GENIOS vom Handelsblatt - Verlag etwa 70 eigene und 3.000 externe Datenbanken hauptsächlich aus dem Bereich Wirtschaft erreichbar. DIMDI bietet über 50 Datenbanken mit mehr als 40 Millionen Dokumenten zu den Bereichen Medizin und Gesundheitswesen an. Ähnlich umfangreich ist das Angebot des Fachinformationszentrums Technik im technisch-wisschenschaftlichen Bereich.

Um erfolgreich recherchieren zu können, müssen die jeweiligen Abfragesprachen der Hosts (Grips, Trip, Messenger... ) benutzt werden.
Dies wird zwar mittlerweile durch menügeführte Dialoge oder durch hostspezifische Software-Programme erleichtert, erfordert jedoch weiterhin einen deutlich höheren Zeitaufwand für ungeübte Benutzer.
Dies wiederum kann die Recherchekosten enorm erhöhen, denn bei den Hosts bezahlt man außer einer einmaligen Grundgebühr im allgemeinen für die Zeit, die beim Recherchieren in den Datenbanken gebraucht wird, und für die gefundenen und auf den eigenen Rechner übertragenen Dokumente. Außerdem fallen zum Teil erhebliche Leitungskosten an.

Da diese Entwicklungen von großer Wichtigkeit für den gesamten Bildungs- und Kulturbereich sind, dort jedoch Knowhow und notwendige Infrastruktur nur vereinzelt vorhanden sind, wird die BEKUM Möglichkeiten zur Information über vorliegende Erfahrungen, zur exemplarischen Dokumentation und zur angeleiteten Erprobung und Nutzung solcher Systeme anbieten.

Wegen der hohen Komplexität wird sie eng mit professionellen Datenbankrechercheuren (z.B. TVA der TU Berlin) und erfahrenen Mailboxnutzer/innen zusammenarbeiten. Besondere Beachtung werden neuere Angebote speziell für den Bildungsbereich finden (z.B. Eurydice- und CEDEFOP-Datenbanken, DBLM (Datenbank für Lernen mit Multimedia), BIBBMAIL des Bundesinstituts für Berufsbildung in Berlin, E-Mail-NLI-Informationssystem des Computer-Centrums des Niedersächsischen Landesinstituts in Hildesheim einschließlich der Datenbank für Lernsoftware SODIS, Campus 2000, Offenes Deutsches Schul-Netz, Fachinformationssystem Bildung des DIPF in Frankfurt...).
Von großem Interesse sind auch die Erfahrungen und Ergebnisse von BLK-Modellversuchen wie z.B. MODIS in Nordrhein-Westfalen, HEKTOR in Hessen oder Telekommunikation in Niedersachsen.

4. Optische Speichersysteme und multimediale Lernsysteme

In den letzten Jahren wurden verschiedene, auf der Lasertechnologie beruhende Speicherverfahren mit immenser Kapazität und schneller Zugriffsmöglichkeit auf die Einzelinformation entwickelt und erprobt.
Die CD-Platte hat sich auf dem Musikmarkt bereits seit langem durchgesetzt. Wegen ihrer hohen Speicherkapazität von etwa 600 MB also 600 000 000 Zeichen - wurde sie auch bald als Speichermedium (CD-ROM : CD Read Only Memory) für Einsatzgebiete benutzt, bei denen aus einer Fülle von Informationen bestimmte Daten schnell ermittelt werden sollen. Hierzu werden in Verbindung mit einem PC dann auch spezielle Retrieval-Programme benötigt.

Seit der High Sierra Konferenz (1985), bei der sich führende Hersteller auf eine einheitliche Norm einigten, steigt das Marktangebot deutlich. CD-ROM-Laufwerke mit ausreichend geringer mittlerer Zugriffszeit zum Anschluss an gängige PC's werden heute für weniger als 2.000 DM angeboten. Mittlerweile gibt es ein breit gefächertes Angebot an Inhalten auf CD-ROM, das zum Teil auch für den Bildungsbereich von Interesse ist. Im neuen BLK-Modellversuch OPTIS soll z.B. die Nutzung von CD-ROM für den Unterricht getestet werden.

Über die reine Textspeicherung hinaus werden nun teilweise auch digitalisierte Originaltöne, Bilder, Filme und animierte Grafiken einbezogen und z.T. zu sogenannten Interaktiven Lernprogrammen integriert. Hierfür werden unterschiedliche Normen benutzt. In Erweiterung der CD-Rom Standards wurde CD-Rom XA (Extended Architecture) kreiert. Philips und Sony haben die zu CD-ROM kompatible CD-I (CD-Interactive) entwickelt, bei der die Daten der Bilder und Töne in einem eigenen Verfahren vor der Aufzeichnung komprimiert werden. Ähnlich wird bei CDTV (Commodore Total Vision) und bei DVI (Digital Video Interactive) verfahren.
Speziell für den Konsumbereich werden zur Zeit mit jeweils eigener Norm von Sony der "Data-Discman" von Canon das "Still-Video-System" und von Kodak die "Photo-CD" auf den Markt gebracht. All diese Platten können nur gelesen, aber nicht selbst beschrieben werden.

Einmal selbst beschrieben werden kann die WORM (Write Once Read Many) die mit ähnlicher Technik arbeitet und samt entsprechender (teurer) Laufwerke bereits auf dem Markt angeboten wird. Hier gibt es noch keine einheitliche Standardisierung. Die Speicherkapazität schwankt dementsprechend je nach Hersteller, Plattenformat und Laufwerk.

Zukünftig wird die MO-Disk (Magneto-Optische Disk) die Festplatte zumindest ergänzen. Sie arbeitet mit kombinierten Techniken und ist beliebig wieder beschreibbar. Sie kann ebenfalls eine Kapazität von 600 MB erreichen. Derzeit werden überwiegend Systeme mit 128 MB auf den Markt angeboten.

Die optische Bildplatte ist derzeit das leistungsfähigste Speichermedium für audio-visuelle Medien. Bei den mit analoger Bild- und digitaler Tonaufzeichnung arbeitenden Bildplatten wird zwischen den mit konstanter Longitudinalgeschwindigkeit abgetasteten CLV-Platten und den mit konstanter Winkelgeschwindigkeit bei 1.500 Umdrehungen pro Minute abgespielte CAV-Platten unterschieden. Erstere können 60 Minuten Film in der PAL-Fernsehnorm speichern. CAV-Platten können "nur" 7 Minuten Film, bzw. 55.000 Einzelstandbilder speichern. Dafür kann hier jedoch auf jedes einzelne Bild als störungsfreies Standbild gezielt zugegriffen und Zeitlupen- und Zeitrafferbetrieb genutzt werden. Dies macht ihre Einbeziehung als sog. Interaktive Bildplatte in Lern- oder Präsentationsprogramme möglich.

Für den öffentlichen Bildungsbereich hat das FWU eine Reihe von CLV-Bildplatten produziert und mit Erfolg erprobt. Die Bundeszentrale für politische Bildung bringt gerade eine interaktive Bildplatte zur Film- und Fernsehanalyse heraus. In der betrieblichen Weiterbildung großer Konzerne werden beide Arten von Bildplatten seit Jahren genutzt.

Durch die Verknüpfung von interaktiver Bildplatte und Computer ist die technische Basis für flexibilisierte Neuauflagen des programmierten Unterrichts gegeben, wie sie etwa mit CUTV - computerunterstütztes interaktives Video - an der FU Berlin erprobt werden. Für solche, mehrere Medien nutzende Anwendungen ist in der letzten Zeit der Begriff Multimedia zum Modewort geworden. Grundsätzlich ist damit die Integration von Text, Grafik, Animation, Standbild, bewegtem Bild, Sprache und Musik in einem System mit flexiblen Zugriffsmöglichkeiten gemeint. Die technische Entwicklung steht hier immer noch am Anfang und um Standards und Normen wird noch gestritten. Wandelt man nämlich nur eine Sekunde Videofilm in digitale Daten um, so ergibt dies schon eine Datenmenge von etwa 20 MB. Beim digitalen Übermitteln, Verarbeiten und Speichern von Videofilm muss also mit riesigen, heute noch kaum bewältigbaren Datenmengen umgegangen werden. Lösungen versprechen hier die neu entwickelten Kompressionsverfahren für Bilddaten und die Erhöhung von Übertragungsraten und Speicherdichte.
Vorausgesagt wird, dass etwa ab 1998 zusammen mit leistungsfähigeren Rechnern und entsprechender Dekompressionssoftware auf der CD-ROM basierende Platten im MPEG 3 Standard (Motion Picture Expert Group) mit einer Speicherkapazität von 2,6 GB (Gigabyte - 2 600 000 000 Zeichen)) angeboten werden.
Die vollständig digital arbeitende Multimedia-Station der Zukunft soll auf all diese Komponenten dann über breitbandige Glasfasernetze weltweit zugreifen können.

"Als Vision zeichnet sich eine völlig neuartige Struktur von Wissensspeicherung und -vermittlung am Horizont ab. Die digitalen Medien bieten Zugang zum gesamten medialen Wissen der Menschheit. Über Hochgeschwindigkeitsnetze kann gezielt abgerufen werden, was jemals geschrieben, gefilmt, vertont wurde: täglich kommt aktuelle Information hinzu. Multimedia wird damit zu einer Basistechnologie, die unser Leben entscheidend verändernd wird ..." (Matthias Zahn, MSK-Sonderdruck, Nov. 1991).

Wieder einmal werden hier aufgrund solcher zukünftig technisch eventuell realisierbarer Konfigurationen unter Ausblendung unserer Realität und entgegen widersprechender historischer Erfahrung gravierende gesellschaftliche Veränderungen für die nahe Zukunft vorausgesagt.

Doch auch bei realistischer Betrachtung sind die Erzeugung und der Einsatz multimedialer Lehr- und Lernmaterialien ein aktuelles Thema.
Das weitgehend aus dem Bundeshaushalt finanzierte, renommierte GMD-Institut für integrierte Publikations- und Informationssysteme befasst sich u.a. mit Methoden des Generierens von und des Zugriffs auf multimediale Informationsquellen. Es sieht im Gebiet der betrieblichen Lehr- und Lernmittel besonders für Beratung und Schulung über größere räumliche Distanzen ein wichtiges Anwendungsgebiet seiner Ergebnisse.
Beispiele der Nutzung solcher Systeme in der Praxis gibt es bereits bei großen Firmen aus den Bereichen Automobil-, Apparate- und Maschinenbau. Die EG-Kommission hat gerade in ihrem Memorandum "Offener Fernunterricht in der Europäischen Gemeinschaft" die "Entwicklung von Fernlehrkursen und multimedialen Systemen auf europaweiter Ebene" offiziell vorgeschlagen. Sie fördert bereits mehrere große Entwicklungsprojekte zum Einsatz multimedialer Lernsysteme.
Eines der mit riesigen Geldmengen versehenen Förderprogramme ist DELTA (Developing European Learning Through Technological Advance). Für die Pilotphase standen 40 Millionen DM zur Verfügung, für die Ausschreibung 1991 sogar 108 Millionen DM. Die Landesbildstelle verfolgt solche Entwicklungen u.a. durch die Beteiligung am Kommunikationsverbund Weiterbildung Berlin.

In der BEKUM sollen exemplarische Anwendungsbeispiele und unterschiedliche Abspielgeräte zur Beratung und zur angeleiteten Erprobung zur Verfügung stehen.

5. Zugang zu ISDN, IBFN, Satellitenkommunikation

Der Netzausbau durch die Telekom ermöglicht mit der jeweils deutlich steigenden Datenübertragungskapazität im digitalen, schmalbandigen ISDN (Integrated Services Digital Network) und im breitbandigen Glasfasernetz das Angebot neuer "Dienste" wie z.B. die Bewegtbildüberspielung.
Bereits heute sind ca. 900 Ortsnetze ISDN-fähig. Bis Ende 1993 soll dieses Netz flächendeckend ausgebaut sein. In den USA sollen im Mai dieses Jahres bereits Videotelefone für die Kunden von AT&T auf den Markt gebracht werden. Bei uns in Deutschland wurde gerade das Pilotprojekt Bildtelefon gestartet, 1994 soll der "Bildtelefondienst" als Regelangebot eingeführt werden. Berlin besitzt durch das Projekt BERKOM bereits heute die größte zusammenhängende Glasfaser-Infrastruktur Deutschlands. Eine flächendeckende Glasfaserverkabelung in ganz Deutschland ist geplant, allerdings in den nächsten Jahren nicht zu erwarten, denn hierfür wären Investitionen von etwa 500 Milliarden Mark nötig.
Die damit gegebene Möglichkeit der "Vernetzung aller Lebensbereiche" und ihre potentiellen Auswirkungen sind weiterhin ein wichtiges Thema der medienpädagogischen Arbeit.

In die weltweit zunehmende Vernetzung wird seit Jahren auch die Satellitenübertragung einbezogen und hierfür auch für breitbandige Übertragung verstärkt ausgebaut. Neben Telefongesprächen und Daten werden seit Jahren auch Fernsehsendungen über Satelliten verbreitet. Die über TV-SAT 2 oder den "privaten" Satelliten ASTRA ausgestrahlten Programme können mit Parabolantennen auch von privaten Haushalten empfangen werden. Europaweite Satellitenübertragung wird auch im Bildungsbereich erprobt, z.B. mit dem über ASTRA verbreiteten "Channel e" des European Institut for the Media.

Der Ausbau der Kupfer-Kabelnetze durch die Bundespost war in den achtziger Jahren lebhaft umstritten. An diese, ausschließlich für die Verteilung einer großen Zahl von Fernseh- und Hörfunkprogrammen geeigneten Netze sind mittlerweile über neun Millionen Haushalte in den alten Bundesländern angeschlossen.

In der BEKUM sollen mittelfristig solche Netzanschlüsse und entsprechende "multifunktionale Endgeräte" zur Demonstration und Erprobung der damit gegebenen Anwendungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.

6. HDTV

Die derzeitigen Fernsehnormen arbeiten mit 625 Zeilen und einer Bildwechselfrequenz von 50 Hz in Europa, bzw. mit 525 Zeilen und 60 Hz in USA und Japan. Für zahlreiche Anwendungen besonders im militärischen Bereich und in der Unterhaltungsindustrie reichte die damit erzielbare Auflösung seit langem nicht aus. Deshalb wurde das hochauflösende Fernsehen (HDTV - High Definition TV) entwickelt, das mit mindestens der doppelten Zeilenzahl und einer erheblich höheren Anzahl von Punkten pro Zeile arbeiten soll.

Nach dem derzeitigen Diskussionsstand wird es wohl zwei unterschiedliche Normen in Europa (1250 Zeilen, 25 Bilder/Sekunde) und USA und Japan (1125 Zeilen, 30 Bilder/Sekunde) geben.
Das Seitenverhältnis wird sich bei beiden Varianten von 4:3 auf 5,33:3 (=16:9) verändern und damit besser dem kinematografisch tradiertem Sehwinkel entsprechen. Die sehr viel höhere Auflösung ist vergleichbar mit der eines 35-mm Kinofilms.

Internationale Filmproduktionen wie Wim Wenders "Bis ans Ende der Welt" beziehen zum Teil schon HDTV - Aufnahmen ein. In Verbindung mit den zunehmenden Manipulationsmöglichkeiten digital aufgezeichneter Bilder ist Siegfried Zielinski zuzustimmen: "Das Illusionierungspotential der neuen Bilder (und Töne) wird mit dem traditionellen Fernsehen nicht mehr viel zu tun haben."

HDTV soll in das Angebot der BEKUM integriert werden.

7. Virtuelle Realität, Cyberspace

Die immense Steigerung der Rechenkapazität neuerer Computer in Verbindung mit der Weiterentwicklung von Grafikprogrammen ermöglicht schon heute die Erstellung von Filmen, bei denen kaum noch erkannt werden kann, ob die Bilderfolgen vom Computer generiert oder von einer Kamera aufgenommen wurden oder ob beides vermischt wurde. Technisch hervorragende, aktuelle Beispiele finden wir schon in zahlreichen Werbespots und Videoclips.

Zunehmend "echtere", unseren Wahrnehmungsmöglichkeiten angepasstere Flugzeug- und Fahrzeugsimulationen gehören heute in der professionellen Ausbildung zum Standard. Auch für den Unterhaltungsbereich werden immer komplexere Simulationen angeboten.

Neuere Forschungen gehen hier in umfassenden Konzeptvorstellungen und ersten Realisierungen noch viel weiter. Im Kern geht es ihnen um die direkte Verknüpfung von allen Sinnen menschlicher Wahrnehmung und den Möglichkeiten des Verhaltens mit komplexen digitalisierten Informationen und Anwendungsprogrammen unter Nutzung sämtlicher neuer Kommunikationstechniken. Diese unter dem Namen "Cyberspace" und "Virtueal Reality" verbreitete Vision wurde ursprünglich von dem kanadischen Science-Fiction-Autor William Gibson und von anderen Mitgliedern der "Mirrorshade -Group" entwickelt. Die in diesen Romanen geschaffenen Charaktere können z.B. durch ein in ihr Gehirn implantiertes "neuronales Interface" sich direkt mit digitalen Systemen verbinden und sich so unter Ausschaltung von Umgebungsreizen und durch entsprechende Stimulation von Sinnesreizen in virtuelle, nur in den Programmen von Computersystemen existierende Welten begeben. Dabei können sie sich nicht nur in der Welt eines einzelnen Computersystems bewegen, sondern sie können über internationale Datennetze auch die künstlichen Welten in anderen Rechnern und sogar andere Personen auf der ganzen Welt besuchen, die wie sie selbst mit Computersystemen verbunden sind.

So unrealistisch und abwegig sich dies erst einmal anhören mag. Seit einiger Zeit vorgestellte erste Realisierungen von "Virtuel Reality" zeigen, dass hier ernstzunehmende Forschungen betrieben und umgesetzt werden. Beim heutigen Entwicklungsstand sind der Einstieg in einige wenige rechnererzeugte dreidimensional erscheinende Umgebungen und das Agieren in ihnen möglich. Hierzu wird man mit einem "Datenhelm" ausgestattet, in den kleine, hochauflösende, das Sichtfeld füllende Bildschirme, Mikrofone und Kopfhörer integriert sind und mit einem "Datenanzug" der mit Sensoren und Effektoren versehen und mit dem Rechner verbunden ist.

In der BEKUM sollen kurzfristig Printmaterialien und Videofile zur ersten Information über diese Entwicklungen und mittelfristig erste Anwendungsbeispiele zur angeleiteten Erprobung zur Verfügung stehen.

Quelle:

Kübler, Hans-Dieter (Hrsg), Medienpädagogik in deutscher Wende, Bielefeld (GMK) 1993, S. 79 - 89