Bildung in Deutschland 2020 - Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung in einer digitalisierten Welt (2020)

Alle 2 Jahre liefert der Nationale Bildungsbericht eine systematische Bestandsaufnahme des gesamten deutschen Bildungssystems. Am 23.06.2020 wurde der neue Bericht vorgestellt – diesmal mit dem Schwerpunkt “Bildung in einer digitalisierten Welt“:

  • “Die Ausgaben für Bildung, Forschung und Wissenschaft sind gestiegen: im Jahr 2017 auf knapp 300 Milliarden Euro und – nach vorläufigen Berechnungen – im Jahr 2018 auf gut 310 Milliarden Euro. Das entspricht einer Steigerung von 30 Prozent gegenüber 2010 und einem wenig veränderten Anteil von 9,3 Prozent am BIP, das in diesem Zeitraum ebenfalls deutliche Zuwächse zu verzeichnen hatte. Die jährlichen Ausgaben je Schülerin und Schüler an öffentlichen Schulen stiegen im Zeitraum 2010 bis 2017 um rund 22 Prozent auf 7.300 Euro.
  • Mehr Kinder – mehr Studierende: Die Zahl der Bildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer hat sich weiter erhöht, auf 17,2 Millionen Menschen im Jahr 2018. Diese Entwicklung geht nicht nur auf steigende Geburtenzahlen und vermehrte Zuzüge aus dem Ausland, sondern auch auf eine zunehmend frühere Bildungsbeteiligung und einen Trend zur Höherqualifizierung zurück.
  • Mehr Abiturienten – mehr Hochschulabsolventen: Der Bildungsstand der Bevölkerung hat sich in den letzten zehn Jahren positiv entwickelt: 2008 verfügten 24 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren über Hochschulreife, 2018 bereits 33 Prozent. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil von Personen, deren höchster Schulabschluss der Hauptschulabschluss ist, von 39 Prozent auf 30 Prozent zurückgegangen. Der Anteil der Hochschulabsolventinnen und -absolventen ist im gleichen Zeitraum um fünf Prozentpunkte auf 18 Prozent gestiegen.
  • Die Zahl der im Bildungswesen Beschäftigten hat seit 2008 kontinuierlich zugenommen. Der größte Zuwachs bis zum Jahr 2018 ist dabei in der frühen Bildung (+ 63 Prozent) und an den Hochschulen (+37 Prozent) zu verzeichnen.
  • Die Zahl der Kinder, die ein Angebot früher Bildung in Anspruch nehmen, ist zwischen 2006 und 2019 von 2,6 Millionen auf 3,3 Millionen gestiegen.
  • Sowohl das Angebot der Ganztagsbetreuung als auch deren Inanspruchnahme haben deutlich zugenommen. Im Schuljahr 2018/19 wurden 68 Prozent aller Schulen als Ganztagsschulen ausgewiesen. Im Jahr 2005/06 traf dies lediglich auf 30 Prozent aller Schulen zu. Rund die Hälfte aller Grundschulkinder (1,5 Millionen) nutzten im Schuljahr 2018/19 Ganztagsbetreuung in Schulen oder Kindertageseinrichtungen.
  • Bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Schülerinnen und Schüler waren bundesweit im Schuljahr 2018/19 knapp 20.000 Lehrkräfte mehr an allgemeinen und beruflichen Schulen tätig als vor zehn Jahren. Zudem stieg der Anteil der unter 40-jährigen Lehrkräfte in den letzten 15 Jahren um zehn Prozentpunkte. Dennoch ist die Altersstruktur von Schulkollegien regional unterschiedlich und nicht immer ausgeglichen. Der Bedarf nach gut ausgebildetem pädagogischem Personal bleibt hoch.
  • Die hohe Studiennachfrage hält weiter an. Nach vorläufigen Berechnungen lag die Anzahl der Studienanfängerinnen und -anfänger im Jahr 2018 zum sechsten Mal in Folge über einer halben Million. Der Anteil der Neueinschreibungen an Fachhochschulen ist auf 44 Prozent aller Studienanfänger/-innen gestiegen.
  • Die Bildungschancen für Kinder von gering qualifizierten Eltern stiegen trotz weiterhin vorhandener sozialer Disparitäten. Sie erreichen häufiger einen höheren Bildungsstand als ihre Eltern.
  • Bildung bringt positive Erträge für Individuum und Gesellschaft. Lange und qualifizierte Bildung wirken sich positiv auf die individuelle Lage aus (z. B. bessere Arbeitsmöglichkeiten und höheres Lebenseinkommen, Ernährung, politisches Interesse) und unterstützen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie den sozialen Zusammenhalt.

Das Schwerpunktkapitel zur Bildung in der digitalisierten Welt kommt zu folgenden Befunden:

  • Digitale Technologien sind mittlerweile selbstverständlicher Teil des alltäglichen Lebens, wenngleich individuelle und strukturelle Unterschiede im Zugang zu digitalen Medien bestehen. Diese ergeben sich etwa aufgrund der sozialen Lage oder auch aus regionalen Gegebenheiten.
  • Der Einsatz digitaler Medien ist im Hochschulbereich und der Weiterbildung weit verbreitet, seltener im schulischen Bereich, in der frühen Bildung nur partiell.
  • Große Entwicklungsbedarfe gibt es bei der Ausstattung von Schulen und Einrichtungen der frühen Bildung mit digitalen Medien.
  • Der Erfolg digital unterstützter Lernprozesse hängt maßgeblich von einem didaktisch sinnvollen und kritisch reflektierten Einsatz digitaler Technologien ab. Entscheidend scheint nicht die eingesetzte Technik zu sein, sondern wie Lehrende digitale Medien in das alltägliche Lehr-Lern-Geschehen integrieren.
  • Die digitalen Kompetenzen der Bildungsteilnehmenden sind ausbaufähig und unterscheiden sich zwischen verschiedenen Gruppen. Leistungsdisparitäten zeigen sich insbesondere zuungunsten der Jungen, der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und aus Elternhäusern mit niedrigem sozialem Status.

Der Bericht zeigt auch übergreifende Trends und Problemlagen des Bildungswesens auf:

  • Insgesamt zeichnet sich das Bildungssystem durch eine höhere Durchlässigkeit aus. Unabhängig von der Herkunft und dem ersten Bildungsweg bieten sich vielfältige Möglichkeiten, einen individuell hohen Bildungsstand auch nach einem ersten niedrigeren formalen Abschluss zu erlangen.
  • Trotz des langjährigen Trends zu höherer Bildung bleiben junge Menschen wieder häufiger ohne Abschluss. Es zeigen sich zunehmend Disparitäten zwischen formal gering und hoch Qualifizierten. Junge Männer weisen häufiger eine formal geringere Qualifikation auf als junge Frauen. Dies hat weitreichende Konsequenzen. Eine ?formal geringe Qualifikation erhöht für den Einzelnen das Risiko sozialer oder finanzieller Risikolagen und erschwert häufig den Zugang zu beruflich stabilen Positionen.
  • Die Digitalisierung schreitet in allen Bildungsbereichen voran. Digitale Medien werden nicht nur aus aktuellem Anlass, sondern auch im längerfristigen Trend vermehrt in die Lehr-Lern-Prozesse integriert, jedoch in unterschiedlichem Maße in den verschiedenen Bildungsbereichen.

Zur Anlage des Bildungsberichts

Den seit 2006 alle zwei Jahre erscheinenden Bildungsbericht hat eine unabhängige Wissenschaftlergruppe unter Federführung des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation erarbeitet. Beteiligt sind das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. (DIE), das Deutsche Jugendinstitut (DJI), das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), das Soziologische Forschungsinstitut an der Universität Göttingen (SOFI) sowie das Statistische Bundesamt (Destatis) und die Statistischen Ämter der Länder (StLÄ).

Die besondere Bedeutung des Bildungsberichts liegt darin, die verschiedenen Bildungsbereiche von Bildung im Lebenslauf in ihrem Zusammenhang und indikatorengestützt über größere Zeiträume darzustellen und so übergreifende Herausforderungen im deutschen Bildungssystem sichtbar zu machen.“

Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung

Den 360-seitigen Bericht sowie weiterführende Materialien und Informationen finden Sie im Internet unter www.bildungsbericht.de. Er kann kostenfrei als PDF-Datei herunter geladen werden.

Die aus Sicht der Autorengruppe wichtigsten Ergebnisse werden in der 20-seitigen Broschüre Bildung in Deutschland kompakt 2020 - Zentrale Befunde des Bildungsberichts veröffentlicht. Sie kann kostenfrei als PDF-Datei herunter geladen werden.

Beide Publikationen sind mit Ausnahme der Umschlagfotos unter der Creative-Commons-Lizenz CC-BY-SA 4.0 veröffentlicht