Johannes Rück, Coding und Robotik in der Jugendmedienarbeit (2019)

Warum ist Coding wichtig?

Coding bzw. das erlernen einer Programmiersprache erlebt aktuell einen regelrechten Hype in der deutschen und internationalen Bildungslandschaft. es gibt vermehrt kommerzielle und nicht kommerzielle Akteure, die Kinder und Jugendliche an das Thema heranführen möchten. Das Aneignen einer Programmiersprache wird als eine weitere Kulturtechnik neben dem Schreiben, Lesen und Rechnen angesehen. sollen also alle Kinder und Jugendlichen später Programmierer oder Programmiererinnen werden?

Diese Frage greift – wie auch die Frage, ob Kinder und Jugendliche nur noch mit dem Tablet lernen sollten – zu kurz. Beim Erlernen einer Programmiersprache geht es, ebenso wie bei der “Tablet-Frage“, um die dahinterliegenden zu erlernenden Kompetenzen und zu bearbeitenden Themen.

Durch die Beschäftigung mit dem Programmieren ist es möglich, Kindern und Jugendlichen ein grundlegendes Verständnis davon zu ermöglichen, wie ein Großteil der Technik um uns herum funktioniert. Wenn Kinder und Jugendliche die Logik hinter Algorithmen (siehe Kasten: Begriffe erklären) durchdrungen haben und beispielsweise für ein selbst programmiertes Quiz selbst einen entwickelt haben, ist der Grundstein gelegt, weitere Algorithmen, die uns täglich begegnen, zu identifizieren und zu besprechen. Es geht also ganz konkret um digitales Know-how.

Eine Programmiersprache ist, wie jede andere Sprache, nach speziellen Regeln wie Grammatik und Syntax aufgebaut. Maschinen arbeiten stumpf die Befehle ab, die wir ihnen mittels Code vorgeben. Sie besitzen keinen Interpretationsspielraum. Fehler in Grammatik oder Syntax können dazu führen, dass sich ein Programm gar nicht erst starten lässt oder dass es etwas anderes tut als geplant. Genaues Lesen, Schreiben und Rechnen sind daher eine wichtige Fähigkeit beim Coden. Möchte ich in der Programmiersprache Scratch (siehe Kapitel: Coding digital) eine Figur genau platzieren, sollte ich deren Position im Code mit X- und Y-Koordinaten angeben; “oben links“ versteht das Programm nicht als Positionsangabe.

Zur Lese- und Schreibkompetenz gesellen sich logisches Denken und die Entwicklung von Problemlösungsstrategien, wenn Kinder und Jugendliche das Coden lernen. Jeder, der schon einmal etwas programmiert hat, kennt das Problem, dass das Programm einfach nicht das macht, was es soll. Um den Fehler zu finden, der entweder ein Schreib- oder Logikfehler sein kann, ist es enorm wichtig, eine Problemlösungsstrategie zu entwickeln, also beispielsweise den gesamten Code in einzelne Abschnitte zu unterteilen und diese nacheinander zu analysieren und sich auf die Fehlersuche zu begeben. Diese Frustrationstoleranz und Problemlösungsstrategien können in den unterschiedlichsten Lebenslagen hilfreich sein und einen großen Beitrag dazu leisten, die eigene Arbeitsweise zu strukturieren.

In meinen Workshops lasse ich die Kinder und Jugendlichen immer zu zweit arbeiten. Neben der Strukturierung der eigenen Arbeitsweise müssen die Teilnehmenden auch einen wertvollen kommunikativen und kooperativen Umgang miteinander finden.

Coding in der Jugendmedienarbeit kann auch Mädchen, Kinder mit Migrationshintergrund, Jugendliche mit Behinderung oder andere unterrepräsentierte Gruppen für das Thema Informatik begeistern. Dadurch kann Software, die einen Großteil unserer medialen Erlebnisse prägt, irgendwann auch aus nicht männlicher, nicht weißer Perspektive entstehen. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Teilhabe möglichst aller an einer digital geprägten Gesellschaft.

Betrachtet man das Thema Coding also in einem größeren Kontext und bezieht diese Sichtweise in die Konzeption der eigenen Bildungsangebote mit ein, geht es für alle Beteiligten um weit mehr als das bloße Erlernen einer Programmiersprache.

Und was ist mit Robotik?

Coding und Robotik werden häufig in einem Atemzug genannt. Zu recht! Roboter sind eine tolle Möglichkeit, Code in die reale, anfassbare Welt zu transferieren. Änderungen im Code können somit erfahrbar gemacht und über haptische Lernerfahrungen ergänzt werden. Wenn ich beispielsweise in einem Programm die Spielfigur falsch programmiert habe und diese mit voller Geschwindigkeit über den Bildschirm flitzt, ist das nicht so schlimm. Übertrage ich dieses Programm auf einen Roboter, können die Auswirkungen verheerend sein.

Viele Lernroboter wie der mBot sind mit diversen Sensoren ausgestattet. Durch diese Sensoren können Verknüpfungen der digitalen mit der real erfahrbaren Welt hergestellt werden, die somit mess- und auswertbar wird. Den mBot kann man zum Beispiel so programmieren, dass er eine Kurve fährt, sobald der Abstandssensor ein Objekt in unmittelbarer nähe identifiziert. Die mittlerweile sehr beliebten Staubsaugerroboter funktionieren größtenteils mit derselben Logik und sind ein schönes Beispiel für das Zusammenspiel zwischen Code, Sensoren und Roboter.

Vielleicht saßen sie vor Kurzem ja erst in einem Auto mit Parkdistanzsensoren, die ein schneller werdendes Piepen beim Rückwärtseinparken abgeben. Wie könnte der Algorithmus dazu aussehen?

Wiederhole so lange Motor = an; und Gang = R wenn Parksensor <= 50 cm spiele Ton "Piep“

Projektidee

Voraussetzung:
Computer oder Tablet mit einer Programmierumgebung (Scratch; mBlock Blockly)
Lernroboter
Filzstift und ein großes Blatt Papier (= DIN A2)

Analysieren Sie mit Kindern und Jugendlichen, wie ein Saugroboter aufgebaut ist und wie dessen Programmierung aussehen könnte.

Wenn die Teilnehmenden Hypothesen über die Funktionsweise von Saugrobotern aufgestellt und eine Logik bzw. einen Algorithmus entwickelt haben, können sie sich an die Programmierung machen.

Nun muss man einen Filzstift am Lernroboter befestigen und diesen auf ein großes Blatt Papier stellen. Wichtig: Bauen Sie auf jeden Fall eine Begrenzung um das Papier, damit der Roboter nicht den ganzen Fußboden bemalt.

Fährt der Roboter nun nach seiner Logik auf dem Blatt herum, werden die Auswirkungen der Software, genauso wie deren Veränderung, sichtbar, und die Kinder und Jugendlichen können nachvollziehen, wie so ein Saugroboter funktioniert oder wie die Logik in einem autonom fahrenden PKW aufgebaut sein könnte.

Der Code dazu könnte so aussehen: siehe hier, S.4.

Neben dem motivierenden, auffordernden Charakter, den ein piepender und blinkender Lernroboter haben kann, bietet die Robotik auch immer eine schöne Gelegenheit, kreativ zu werden. Einprogrammierte Melodien können mit der passenden Lightshow blinkender LEDs untermalt werden, und der Roboter kann modifiziert werden und neue Bauteile erhalten. Der mBot hat beispielsweise oben auf dem Gehäuse eine Fläche, die mit Lego kompatibel ist. Sie ahnen es bereits, daraus ergeben sich etliche neue Möglichkeiten für spannende Projekte! Dieser kreative Freiraum und auffordernde Charakter motiviert viele Kinder und Jugendliche, die sich vielleicht ursprünglich nicht mit Logik und Problemlösungsstrategien beschäftigen wollten.

Ich persönlich setze die Roboter frühestens in der zweiten Workshophälfte ein, nachdem die Kinder und Jugendlichen erste Programmiererfahrungen gemacht haben. Dies hilft ihnen zum einen, die Verknüpfung von Coding und Robotik besser nachvollziehen zu können und verringert zum anderen die Wahrscheinlichkeit einer Überforderung durch zu viele neue Inhalte auf einmal.

(Auf den folgenden vier Seiten werden unter der Überschrift “Was gibt es alles?“ praxisorientiert Möglichkeiten zu “Programmieren ohne Internet und Strom“, Programmiersprachen für den Bildungsbereich, die Lernroboter mBots, Makey Makey, ein möglicher Ablaufplan und kurze Hinweise auf weitere Materialien vorgestellt.)

Quelle:

Landesarbeitsgemeinschaft Lokale Medienarbeit NRW, Coding und Robotik in der Jugendmedienarbeit - Tipps und Ideen aus der Praxis, InterAktiv plus 1/2019, S.3 – 4; Autor Johannes Rück

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